Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
sagte, es seien wohl meine braunen Haare, die in der Farbe reifer Nüsse schimmern, die ihn anzögen.
»Du hast keine Schönheitsfehler«, fügte sie hinzu und trat einen Schritt zurück, um mich besser betrachten zu können. »Du hast ein wohlgeformtes Kinn, hübsche Handgelenke und Fußknöchel, und dein Bauch ist nicht weich, als wenn du zu viel Butter gegessen hättest. Hüte dich vor ihm, Agnes Trussel«, warnte sie mich. »Du weißt, dass seine Familie ständig in Schwierigkeiten steckt.« Sie sah mir an, dass ich alles andere als erfreut darüber war, und deshalb redete sie weiter. »Behalte in seiner Gegenwart deine Haube auf. Wirf einfach den Kopf zurück und sag: ›Nein, ich glaube nicht, ich habe wirklich viel zu tun‹, oder so was. Es ist ganz leicht.« Natürlich war es dafür schon zu spät. Ich erinnere mich, dass ich nachdenklich das Auf und Ab ihrer Lippen betrachtete, als hätte ich sie noch nie gesehen.
»Jetzt sitz nicht da wie ein Häufchen Elend«, sagte sie lachend. »So schlimm ist es doch gar nicht! Du bist ein vernünftiges Mädchen mit guten Manieren, das weiß, wie man sich benimmt.«
Aber natürlich war es schlimm, sehr schlimm sogar. Ich dachte nicht gerne daran, wie ihr fröhliches Gesicht sich vor Scham und Ungläubigkeit verdüstern würde, falls sie mir auf die Schliche käme. Ich wäre plötzlich ein anderer Mensch für sie, anders als ihre Schwester, die sie kannte.
»Wo bist du, Ann, ich brauche dich so sehr!«, flüstere ich in die Dunkelheit über die feuchten Felder zum Wiston House hinüber.
Ich muss vier Meilen zu Fuß über Wege und Felder zurücklegen, bevor ich Steyning erreiche, oder ich bitte darum, auf einem Wagen oder einer Kutsche mitfahren zu dürfen, bis ich zu einer Schenke namens The Chequers komme, wo der Fahrweg auf die Straße trifft. Und dort werde ich auf die Kutsche nach London warten. Ich male mir aus, wie sie auf mich zukommt, Hufe donnern auf der Straße, gewaltige Räder surren und knirschen über den Schotter im Hof der Schenke, als das Gefährt anhält. Mir ist übel. Die Reise wird mich zwei Tage und mehr als zwei Guineen kosten. Wenn alles gut geht, sollte ich die Grafschaft Sussex bereits lange verlassen, die Grafschaft Surrey durchquert und die große Stadt erreicht haben, bevor sie die tote Mrs. Mellin in ihrem kalten Haus entdecken.
Der Weg führt am Rand des Wäldchens vorbei in eine Senke am Fuße des Abhangs. Der Schlamm wird tiefer und lehmiger. Meine Stiefel machen bei jedem Schritt ein saugendes Geräusch, als würde das Land mich nur widerwillig gehen lassen. Rote Rinder drängen sich in Gruppen im Halbdunkel unter den Buchen. Sie wachen auf und bewegen sich unruhig, als ich vorüberkomme. Ihr Atem steigt in weißen Wolken auf. Wie dunkel es unter den Bäumen ist! Sogar die Amseln, die zu den Frühaufstehern gehören, schlafen noch. Es fällt mir schwer, nicht aus Müdigkeit und Furcht vor dem Neuen, das auf mich zukommt, zu zittern.
4
Die Kutsche fährt ruckartig an, und wir verlassen den Hof. Der Wagen ist niedrig und riecht nach Sackleinen und Hühnern. Ich sitze hinten auf einer Bank mit einem Polster aus gewebtem Pferdehaar, das vor Abnutzung glänzt. Außer den anderen fünf Passagieren transportiert der Wagen Ballen von Rohwolle, drei Lattenkisten mit Küken und einige verschlossene Körbe, in die ich nicht hineinsehen kann. Der ölige Geruch nach Schafwolle macht es mir schwer, nicht an zu Hause zu denken – er ist so durchdringend.
Ich bin eine Diebin, eine Schande für meine Familie und eine Abtrünnige. Ich habe Schmerzen in der Brust, und ich verdiene sie. Die Qual drückt mir beinahe die Kehle zu. Eine dicke Frau rechts neben mir starrt mich von der Seite an. Ich hasse sie dafür. Ich muss auf meinen Schoß blicken und immer wieder schlucken, um nicht zu weinen. Es ist, als befände ich mich in einer Art schaukelndem Schlaf, in dem ich von Pferden gezogen würde und nicht wüsste, was ich tue oder wohin ich fahre. Ich verschränke die Arme fest über der Furcht in meinem Bauch, sehe mich um und atme die frische Luft ein.
Als ich durch Steyning zu dem Gasthof gegangen bin, habe ich mir meine Haube tief ins Gesicht gezogen. Ich kenne nicht besonders viele Leute hier, aber im Ort gibt es einige, die meine Familie zur Genüge kennen, und ich habe zu Gott gebetet, dass mir kein Bekannter meines Vaters begegnet.
Doch dann, als wir das Dorf verließen, habe ich Mr. Benter gesehen. Er ging vor uns mit einem Bündel
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