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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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macht.
    »Unter guten Bedingungen erreicht eine Sechs-Pfund-Rakete ihren höchsten Punkt bei sechzig Metern«, sagt Mr. Blacklock.
    »Brennt sie, während sie fliegt?«, frage ich und versuche, es mir vorzustellen.
    »Bis sie den höchsten Punkt erreicht, ist es eine rasant aufsteigende, sprühende und flammende Feuersäule«, sagt er. »Dann folgt je nach Bestückung ein Regen aus gewöhnlichen Sternen zusammen mit einem Knall oder aus Sternen mit Schweif oder ein Feuerregen. Anschließend fällt die Rakete naturbedingt zurück auf die Erde, so wie alle Dinge herunterfallen. Dabei verglühen Funken und verschwinden mit einem Blinzeln. Das Gleichgewicht zwischen Vortrieb und Verbrennung zeigt eine bemerkenswerte Balance der Kräfte zwischen Freisetzung und Spannung.« Er hustet.
    »Das Schwarzpulver liegt im dritten Schrank. Wir erhalten etwa zweimal monatlich eine Lieferung Schwarzpulver von Soul und Tibbet. Es ist nicht viel, Pulver sollte frisch sein.« Er wendet sich wieder dem ersten Schrank zu und greift nach einem großen Bündel aus Röhren.
    »Das ist eine Römische Kerze, auch Römisches Licht genannt«, sagt er und legt es mir in die Hand. »Ein Römisches Licht verlässt den Boden nicht, wenn es angezündet wird, sondern spuckt Funken und Sterne wie helle Feuerkugeln in den Himmel.«
    Der Feuerwerkskörper ist doppelt so lang wie meine Hand.    
    »Schau, wie sauber und perfekt alles gebunden ist«, sagt Mr. Blacklock. »So sollte jedes Stück sein. Das Innenleben ist ebenfalls einwandfrei: Die Füllung ist präzise abgemessen und gleichmäßig eingefüllt, ganze Sterne sind mit der Sprengladung und dem Pulvergemisch und dunklem Feuer bedeckt – das ist ein Feuer, das unsichtbar abbrennt, um innerhalb der Abbrenndauer für Pausen zu sorgen.« Ich sage kein Wort, nicke aber, als er mich ansieht. Das Bündel ist merkwürdig leicht. Es ist so trocken und gefährlich wie der Körper einer sehr großen toten Wespe – ein fester Papierzylinder mit einem Stachel im Schwanz.
    Ich betrachte die kleine gedruckte Abbildung außen auf der Verpackung der Rakete genauer. Sie ist oval und etwa so groß wie ein Florin. Eine Frau hält ein sprühendes Licht, das wie eine leuchtende Distel aussieht, in tintenschwarzer Dunkelheit in die Höhe.
    »Wer ist das?«, frage ich Mr. Blacklock, als er den anderen Schrank wieder verschließt.
    »Die Heilige Barbara ist die Schutzpatronin der Pyrotechniker. Es ist ratsam, sie zu verehren.« Reibungslos dreht sich der Schlüssel im Schloss.
    »Gehen Sie sonntags in die Kirche, Sir?«
    »Nein, das tue ich nicht«, erwidert er schroff. »Die Heilige Barbara wird zu Tausenden von der Druckerei geliefert. Sie wird mit einem Klecks Leim auf jedes Bündel geklebt, um es ganz zum Schluss zu versiegeln.«
    Ich frage mich neugierig, wie oft die Heilige wohl schon in die Dunkelheit geschossen wurde, einen Funkenschweif hinter sich herziehend, bevor sie verbrannte oder explodierte. Vielleicht ist es auch schon vorgekommen, dass sie unbeschädigt geblieben und wie ein bedrucktes Blütenblatt zu Boden geschwebt ist. Mr. Blacklock bedeutet mir, den Feuerwerkskörper zurückzulegen. »Es gibt viel zu tun«, sagt er. Als wir den Hof überqueren und zur Werkstatt gehen, läuft eine gestreifte Katze mit einer nassen Ratte im Maul vorbei.
    »Sag mal«, fragt Mr. Blacklock plötzlich später an diesem Tag, »stört dich der Geruch hier drinnen?«
    Ich wiege gerade Schwefel ab, wie er es mir gezeigt hat. Behutsam lasse ich die Gewichte aus meinen Fingern klickend in die eine Kupferschale der Waage gleiten, bis beide Schalen frei schwingen und sich im Gleichgewicht befinden. Sechs Feinunzen. »Ich bin mir nicht ganz sicher, Sir«, antworte ich zögernd. Ich versuche, die richtigen Worte zu finden, um genau auszudrücken, was ich meine.
    »Es ist wie dieser spezielle Geruch, wenn man ein Hühnerei in einem Topf über dem Feuer kocht«, sage ich vorsichtig. »Nein, nur fast so, aber stärker.« Ich denke scharf nach. Der Schwefel hebt sich schmutzig gelb von der polierten Wärme des Kupfers ab, und die abgebrochenen Klümpchen sind unregelmäßig. Ich habe es schlecht erklärt, und er sieht mich an, als wäre meine Antwort nicht ausreichend.
    »Dieser Geruch hinterlässt hinten in meinem Mund einen bitteren, nachklingenden Geschmack«, sage ich.
    Ich füge nicht hinzu, dass sich mir dabei die Härchen auf den Armen aufstellen und mein Mund zu einem riesigen Ort wird, an dem verschiedene

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