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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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isst Mr. Blacklock nicht mit uns in der Küche zu Abend, sondern verschwindet in seinem Studierzimmer. Als ich um zehn Uhr zu Bett gehe, fällt ein Lichtstreifen von der Lampe auf seinem Tisch unter der geschlossenen Tür hindurch. Ich höre einen Stift auf Papier kratzen und die Feder am Rand des Tintenfasses klirren. Ich will anklopfen und ihn fragen, ob er einen Happen zu essen oder ein Glas Wein möchte, aber ich wage es nicht. Die Schreibfeder scheint zu ruhen, so als hätte ich ihn bereits aus seinen Gedanken gerissen.
    Als ich auf der Treppe bin, drehe ich mich unwillkürlich um und sehe, dass die Tür des Studierzimmers einen Spalt weit offen steht und Joe Thomazin in den Hausflur hinausgeschlüpft ist. Er betrachtet mich, ohne einen Ton von sich zu geben.
    »Was gibt’s, Joe?«, flüstere ich, aber seine großen dunklen Augen geben mir keine Antwort.
    * * *
    Nach einigen Tagen breite ich das feuchte Sägemehl aus, streue gleiche Mengen Mehlpulver und Schwefel darüber und vermische das Ganze.
    »Jetzt fülle diese Römischen Lichter und die Blumentöpfe, und du hast roten Regen«, sagt er. »Ich glaube, die Menge reicht für Mr. Torré.«
    »Roten Regen?«, frage ich überrascht. »Richtig rot, Sir?« Er nickt, ohne aufzusehen. Ich schließe die Augen und stelle mir einen zarten scharlachroten Regen vor, feine blutrote Funken, die in die Luft sprühen und wie ein sanfter Schauer in einem Bogen vor dem Sonnenuntergang am westlichen Horizont niedergehen – fast wie Schneeflocken in ihrer Form und Schönheit. Ich male mir ihren süßen Brandgeruch aus, der verschwindet, wenn die Funken den Boden berühren, und die milde, harzige Wärme des Rauchs, der nach ihrem Erlöschen in der Luft schwebt.
    Als ich die Augen wieder öffne, merke ich erschreckt, dass Mr. Blacklock mich anstarrt. Höchstwahrscheinlich kann er nicht begreifen, wie ich so unverschämt und dreist sein kann, mitten in der Arbeit in Tagträumereien zu verfallen. Seine schwarzen Augen sind unverwandt auf mich gerichtet.
    »Es tut mir so leid, Sir«, stottere ich verlegen, senke den Kopf über meine Arbeit und versuche, fleißig zu wirken. »Diese Hunde haben mich mit ihrem Gebell die halbe Nacht lang wach gehalten. Haben Sie sie auch gehört, Sir? Wahrscheinlich waren es Streuner. So ein Lärm.« Er antwortet nicht. Er mag kein Geplapper, erinnere ich mich, und er lässt auch keine Ausreden gelten. Manchmal denke ich, es muss an dem Kind liegen, das in mir wächst, dass mein Geist in diesen Tagen so bereitwillig abschweift und sich mit irgendwelchen kleinen Unsinnigkeiten beschäftigt. Und dann wieder frage ich mich, ob es der Gedanke an Feuerwerke ist. Sie versprechen so viel Glitzern, einen solchen Zauber – es ist gewiss nicht überraschend, dass sie mich zum Träumen bringen.
    Den restlichen Tag über achte ich sorgsam darauf, das Stoßen mit dem Ladestock tadellos zu erledigen. Selbst als die Kirchenuhr sechs schlägt, sehe ich nicht von meiner Arbeit auf, bis Mr. Blacklock verkündet, dass das Tagwerk vollbracht sei.
    »Du musst dir bald einmal ein vollständiges Feuerwerk ansehen«, sagt er, als er die Werkstatt abgeschlossen hat und wir durch den düsteren Hausflur in die mit Dampf erfüllte Küche gehen, »damit du die Qualität beurteilen kannst.«
    Eine Woge der Begeisterung schlägt über mir zusammen.
    Ich ersticke beinahe bei dem Versuch, Haltung zu bewahren. »Das wäre nützlich, Sir«, bringe ich mühsam hervor. Doch ich kann nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet, als wir uns an den Tisch setzen, um das gekochte Rindfleisch und das Gemüse zu essen, das Mrs. Blight aufträgt. Eine Feuerwerksvorführung! Raketen, Römische Lichter, Knallfeuer! Ich kann es kaum glauben.
    »Sägemehl kann auch für Silber- und Goldregen verwendet wenden, wenn man die Mengen vorsichtig bemisst«, erklärt er später, den Mund voll Rindfleisch. »Aber es muss für den Zweck nicht gekocht werden.«
    Ich nicke glücklich und schenke mir etwas Ale ein. Mr. Blacklock beugt sich zu mir und zeigt plötzlich in meinen Becher. »Siehst du, wie sich die Farben verändern und sich über die Oberfläche dieser Bläschen ausbreiten?«
    Ich hebe den Becher hoch, blicke hinein und bin außer mir vor Entzücken. »Die Farben schillern beinahe wie ein Regenbogen, Sir!«
    »Ich dachte mir schon, dass dir das gefällt«, sagt er barsch.
    Mary Spurren starrt erst mich an, dann Mr. Blacklock. Danach spricht niemand mehr, und

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