Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
nur das Kratzen von Messern und Gabeln auf den Tellern ist zu hören. Ich muss nicht aufblicken, um zu wissen, dass Mary Spurrens finsterer Blick am anderen Ende des Tisches sich noch weiter verdüstert.
22
Es macht mich stolz, den Stapel Raketen in der offenen Kiste anwachsen zu sehen. Mr. Blacklock hat mir erlaubt, die Charge fertigzustellen, und ich habe den Atem angehalten, als er ein oder zwei genau untersuchte. Er drehte sie in den Händen und schaute durch seine Brille, um sie auf Mängel oder Schwachstellen zu prüfen. Doch dann ließ er ein kurzes, anerkennendes Knurren hören und begab sich zu Child’s Kaffeehaus, um sich mit Mr. Torré zu treffen. Es hat den Anschein, als vertraue er mir mit jeder Woche mehr Aufgaben an. Immer häufiger lässt er mich unbeaufsichtigt arbeiten, nachdem er mir gezeigt hat, was zu tun ist. Ich habe ein gutes Gedächtnis für all die chemischen Substanzen. Jeder einzelne Name hinterlässt einen besonderen Geschmack in meinem Mund, den ich nicht vergesse.
Als ich mit dem nächsten Auftrag beginne, wähle ich die Hülsen für zwei Unzen aus, lege sie bereit und greife nach dem Ladestock.
Diesmal erstarren meine Hände über dem Füllgestell, als ich das laute Klopfen an der Tür höre. Ich halte den Atem an. Wir erwarten niemanden. Angenommen, es handelt sich um eine wichtige Geschäftsangelegenheit und Mr. Blacklock findet heraus, dass ich nicht zur Tür gegangen bin. Was würde er davon halten? Es klopft wieder, forsch und beharrlich, und jetzt lege ich den Ladestock zur Seite und trete in den Hausflur, der zur Tür führt, als würde ich von unsichtbaren Fäden gezogen.
Ich öffne die Tür.
Ich kann kaum hören, was der Mann sagt. Es ist strahlend hell draußen, sodass ich die Augen zusammenkneifen muss, um etwas zu sehen.
Es ist ein Constable in einem schmutzigen Mantel.
»Ich komme wegen einer gewissen Agnes Trussel«, sagt er streng. Er lässt seinen Knüttel von einer Hand in die andere wandern. »Finde ich sie hier?«
»Ja«, antworte ich leise.
»Sie wird in einer dringenden Angelegenheit vorgeladen. Es geht um …« Er steckt den Knüttel unter den Arm und schaut in sein Notizbuch. »… um Münzen und unerlaubte Waren.« Die Haut auf seiner Nase ist verbrannt und schält sich, als wäre er ohne Kopfbedeckung in der Sonne gewesen.
»Unerlaubte Waren? Münzen, sagen Sie?« Ich habe so lange auf diese Frage gewartet, dass ich eigentlich geübt und dagegen gewappnet sein sollte, sie schließlich zu hören. Von einem Haftbefehl hat er nichts gesagt. Meine diebischen Finger umklammern den Türgriff. Sie fliegen nicht an mein Mieder, um sich gegen Mrs. Mellins Münzen zu pressen.
»Lassen Sie mich mein Tuch holen«, sage ich und folge dem Constable wie betäubt.
Das ist es, denke ich. Jetzt geschieht es, jetzt bin ich überführt. Das ist bestimmt das Werk von Mrs. Blight, denke ich.
Die Entdeckung hat auch etwas Befreiendes, und das macht mich sehr ruhig und gelassen. Ich höre meine Schritte auf dem Kopfsteinpflaster. Während wir zügig die Straße entlanggehen, ist es, als würde ich über mir schweben. Der Constable schwingt seinen Knüttel an der Seite und pfeift durch seine verfaulten Zähne. Er packt mich nicht mit hartem Griff am Arm, wie ich erwartet hatte.
Bin ich gerade auf dem Weg ins Gefängnis? Vielleicht ist dies mein letzter Spaziergang im Sonnenschein, bevor die Wahrheit mein düsteres Schicksal aufdecken wird. Ich betrachte meinen Schatten, der ruhig vor mir hergleitet. Selbst mein Schatten ist unbeeindruckt. Was ist das für ein Geräusch? Es ist mein Atem, schnell und flach, wie der gequälte Atem der Maus, die ich einmal zu Hause in der hinteren Kammer gefunden habe. Sie war mit dem Schwanz in der Mausefalle gefangen. Wir hatten ihr Fiepen bis in die Küche gehört, so laut war es, und ich ging nachsehen. Der Schwanz war fast unverletzt, aber die Maus blieb unbeweglich sitzen, obwohl ich den rostigen Bügel hochhob, damit sie weglaufen konnte. Ihre kleinen Flanken hoben und senkten sich.
»Hast du ihr den elenden Schädel mit der Schaufel eingeschlagen?«, hatte meine Mutter aus der Küche gerufen. Der Löffel klirrte gegen den Topf. »Wie ich diese kleinen Biester hasse, wenn sie mir das Mehl verschmutzen.«
»Ja, ja, sie ist tot«, hatte ich geantwortet und das Tierchen einen Moment in der Hand gehalten, um seine Weichheit zu spüren, bevor ich es aus dem offenen Fenster fallen ließ. Ich wusste, dass es albern war. Draußen
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