Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
vielleicht in dieser Woche, wurden die Siegel aufgebrochen und die Korken herausgezogen. Einige Flaschen sind aus Unachtsamkeit nicht wieder verschlossen, andere liegen leer auf der Seite. Fast jedes einzelne Glas ist geöffnet worden.
Wann hat er das getan? Ich schaue hinüber zu der Apparatur auf dem hinteren Tisch. Er hat sie alle für seine Experimente benutzt. Alle.
Ich finde rosa Vitriol und Mangan. Ich finde Königsgelb oder Auripigment. Ein Sulfid von Arsen, wie ich einer Notiz in Mr. Blacklocks Handschrift entnehme. Es gibt Ockergelb, das aus Eisenoxid und Ton besteht, Tellur-Ocker, Wolfram-Ocker und gelbes Blutlaugensalz. Ich kenne keines davon, und für meine Ohren klingen sie alle wie fremdartige Krankheiten.
Ich halte die Luft an und hebe das dunkle Glas mit dem gelben Auripigment hoch. Mit einem Löffel nehme ich etwas heraus, um es genau zu betrachten. Es ist schmierig und blättrig, und an den Stellen, die mit der Luft in Kontakt gekommen sind, ist es bräunlich. Die frische Schnittstelle ist gelber und leuchtender. Durch das bloße Ansehen erfahre ich sonst nichts.
»Das ist Gift.« Cornelius Souls Stimme lässt mich vor Schreck zusammenfahren. »Sie wären in ein oder zwei Tagen tot, wenn Sie davon etwas geschluckt hätten. Sie bekämen schrecklichen Durchfall und Schweißausbrüche.«
»Ich weiß«, sage ich rasch. »Wie sind Sie hereingekommen?«
Er grinst. »Das Hausmädchen, das gerade die Stufen wischte, hat mir an der Haustür Eintritt gewährt. Leck nicht an deinen Fingern«, sagt er schmunzelnd, »sonst gerinnt sofort das Blut in deinem Herzen. Obwohl ich nichts dagegen hätte, deine kleine rosa Zunge zu sehen. Sie ist bestimmt sehr hübsch.« Und er kommt näher und versucht, mich um die Taille zu fassen.
»Oh nein!« Ich trete verlegen zurück und stoße gegen den Hocker, der polternd umstürzt.
»Tut einem Mann gut, so eine Zunge zu sehen«, sagt er, als ich mich mühsam bücke und den Hocker aufstelle. »Sehr erbaulich.«
Ich presse die Lippen zusammen und schweige, selbst als er fragt, wo er das Pulver abstellen soll. Er sieht mir ins Gesicht.
»Lassen Sie sich nicht stören, Miss Trussel«, sagt er und stellt es irgendwohin. »Vergeben Sie mir meine schlechten Manieren, ich bin ein Rüpel«, ruft er von der Tür aus. Aber er meint es nicht wirklich so.
Ich rühre mich nicht, bis ich die Hufschläge seines Pferdes höre. Dann stelle ich die Gefäße an ihren Platz zurück und wische mir den Schmutz von den Händen, bevor ich an meine Arbeit zurückkehre. Warum habe ich ihn derart abgewiesen? Ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken daran, ein falsches Spiel mit ihm zu treiben. Vielleicht habe ich nicht erwartet, dass er mich mag. Ich habe nicht geglaubt, dass mein Plan aufgehen könnte. Aber er muss natürlich gelingen. Und wenn Cornelius Soul herausfindet, dass ich in anderen Umständen bin, haben wir bereits das Ehegelübde abgelegt. Das ist das Einzige, was mich vor dem Untergang retten kann. Er wird wissen, dass das Kind nicht von ihm ist – aber darüber werde ich später nachdenken.
Jetzt muss ich zügig arbeiten, denn es ist noch viel zu tun, wenn wir unsere Aufträge erfüllen wollen – dennoch kann ich den Gedanken an all die geöffneten Gefäße mit den chemischen Substanzen nicht ganz verdrängen. Ich fülle acht Raketen mit einer Ladung von je einem Viertelpfund. Draußen höre ich Mary Spurren vor sich hin fluchen, weil sie auf der nassen Türschwelle ausrutscht, als sie sich auf den Weg zum Obstmarkt macht. Im Haus ist es still, nachdem sie aufgebrochen ist, und auch sonst ist nichts zu hören. Mrs. Blight hat ihren freien halben Tag. Eine Fliege schwirrt gegen die Fensterscheibe. Ich kann das Leder von Mr. Blacklocks Arbeitsschürze riechen, die in einem Sonnenfleck auf seiner Werkbank liegt. Ich lade zwei weitere Raketen, bis ich es nicht länger aushalten kann und wieder zu den Regalen gehe. Ich starre die geöffneten Behältnisse an, als könnten sie mir etwas erzählen. Und dann klopft es an der Tür. Es ist ein scharfes, forderndes Klopfen, wahrscheinlich mit einem Stock.
Das Herz schlägt mir bis zum Hals.
Ich gehe nicht zur Tür, um zu öffnen.
* * *
Als Mr. Blacklock zurückkehrt, zeigt er mir, wie man das Sägemehl zusammen mit Salpeter zu einer Art Suppe kocht und dann mit einem gelöcherten Löffel die Flüssigkeit ablaufen lässt. Der Gestank verschließt mir förmlich die Kehle.
Ich sage kein Wort über das Anklopfen.
Wieder
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