Die Farm am Eukalyptushain
denken brauchte. Sie hatte sich, was Rat und Stütze anging, immer auf Declan verlassen, und nun hatte sie sich Kane zugewandt, der anscheinend der Stärkere von beiden war.
Langsam zogen sie durch die Stadt und bestaunten die Lastwagen und Autos, die am Straßenrand standen oder unter mächtigen Staubfahnen an ihnen vorbeifuhren. Toowoomba war tatsächlich eine Stadt des Reichtums, und die Leute, die in den Geschäften ein- und ausgingen, trugen elegante Kleidung.
Velda seufzte sehnsuchtsvoll beim Anblick dieser Hüte, Handschuhe und Schuhe: so chic, so modern, so unerreichbar. Catriona wünschte, sie könnte in ein Geschäft gehen und ihrer Mam einen hübschen Hut kaufen. Aber mit den wenigen Pennys in der Blechdose blieb dieser Wunsch unerfüllbar.
Der »Saal« war ein langes, schmales Holzgebäude in einem kläglichen Zustand; offenbar war er zugunsten der neuen Stadthalle im Zentrum vernachlässigt worden. Da er gleich neben dem Bahnhof lag, war er geschwärzt vom Ruß der Dampflokomotiven.Die Farbe war abgeblättert, die Bühnenvorhänge waren muffig und hatten Stockflecken, und das einzige, schmutzige Fenster klemmte fest in seinem feucht verquollenen und vom Schimmel schwarzen Rahmen. An einem Ende lag die erhöhte Bühne, am anderen stand ein Stapel alter Stühle. Der Boden war seit Monaten nicht mehr gekehrt worden, und in den Ecken und auf den Balken unterhalb der Decke waren Spuren von Rattennestern.
Aber zu ihrer Überraschung gab es elektrischen Strom, sodass sie Licht und einen Deckenventilator hatten. Draußen an der Rückseite fand sich ein Wasserklosett, dessen Spülung sich nach einigem Zureden tatsächlich wieder in Gang setzen ließ, und ein Waschbecken mit fließendem kaltem Wasser.
Declan und Kane gingen in die Stadt, um die hastig hergestellten Flugblätter zu verteilen. Die Frauen trieben Besen, Mopps und Putzlumpen auf und machten sich damit an die Arbeit. Bald hatten sie ihre Baumwollkleider durchgeschwitzt, und ihre weißen Kragen waren grau vom Staub und Dreck. Ihre Hände waren rot, und beim Schrubben des sandigen Bodens scheuerten sie sich die Knie auf. Haarnadeln lösten sich, und Strähnen klebten an schweißnassen Gesichtern, als die Frauen mit den schweren Samtvorhängen kämpften und den Staub ausschüttelten, bevor sie sie wieder aufhängten. Während all dessen saß Max mit seinem Hund in einer Ecke und verträumte den Nachmittag.
Catriona schaute immer wieder zu ihm hinüber. Sie machte sich Sorgen, denn Max schien nicht genau zu wissen, wo er war, und als sie ihn gefragt hatte, ob er eine Tasse Tee haben wolle, hatte er sie angesehen, als wäre sie eine Fremde. Er war in eine seltsame Trance verfallen; er hielt Patch auf dem Arm und summte vor sich hin. Ab und zu blickte er auf, lächelte und fragte, ob es gleich Tee gebe.
»Der arme alte Knacker verliert den Verstand«, flüsterte Poppy, während sie nach dem Putzen zum Waschbecken gingen. »Seit Goondiwindi stimmt was nicht mehr mit ihm.«
Catriona und Velda warfen einen Blick zurück in den Saal. »Er ist einfach alt«, meinte Velda.
Poppy seifte sich das Haar ein und hielt dann den Kopf unter das fließende Wasser. Triefend richtete sie sich wieder auf. »Ich bin den ganzen Tag mit ihm zusammen«, sagte sie und rubbelte sich mit einem Handtuch den Kopf ab. »Er hat vergessen, wer ich bin. Fragt dauernd nach meinem Namen und will wissen, ob der Tee fertig ist und er sein Frühstück schon gekriegt hat.« Sie trocknete sich das Gesicht ab und reichte das gemeinsame Handtuch weiter. »Man darf ihn nicht mehr rumreisen lassen.«
»Er kann doch nirgends hin.« Velda trat mit besorgtem Blick an das Waschbecken. »Ein Heim nimmt ihn nicht auf, solange er Patch hat, und die beiden sind so lange zusammen, dass es schrecklich wäre, sie zu trennen.«
Die drei wuschen sich schweigend zu Ende. Bei all ihren Sorgen und Nöten war Max’ rapider Verfall am schwersten zu bewältigen.
Die Show war anders gewesen als alle anderen vorher. Statt einzeln aufzutreten, hatten Catrionas Eltern ein Gesangsduo gebildet. Poppy war ins Publikum hinuntergegangen und hatte unbekümmert mit den männlichen Zuschauern geflirtet, während sie ein paar der unanständigen Lieder sang, die sie in London gelernt hatte. Kanes Monolog hatte Gelächter und Beifall hervorgerufen, und seine leicht zweideutigen Witze waren gutmütig aufgenommen worden. Sogar Max war aus seinem verträumten Zustand aufgewacht; in ausgebeultem Anzug und mit zerdrücktem
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