Die Farm am Eukalyptushain
er in Kanes blumiger Handschrift geschrieben war, hatten Dimitris Worte ihr über lange Tage und Nächte hinweg Gesellschaft geleistet. In der Stille ihres kleinen Hauses konnte sie beinahe seine Stimme hören. Zwar wollte der Husten nicht vergehen, aber während des sintflutartigen Regens hatte sie es ganz behaglich gehabt, denn ihre Speisekammer war gut gefüllt, und der Hotelgärtner hatte dafür gesorgt, dass sie genug Feuerholz hatte. Trotzdem brannte sie darauf, ins Hotel zurückzukehren, denn Dimitri hatte es ihr anvertraut, und die Vorstellung, dass Kane und seine Frau jetzt dort wohnten und vielleicht Veränderungen vornahmen, war ihr unerträglich.
Der Regen hörte nach und nach auf, und Arbeitstrupps machten sich an die Herkulesarbeit, umgestürzte Bäume zu beseitigen, Telegraphenmasten zu erneuern und Erdrutschschäden zu reparieren. Endlich war die Straße wieder frei. Edith holte ihr Fahrrad aus dem Holzschuppen und fuhr los. Der Weg war noch schlammig und uneben von den Steinen, die von den Bergen heruntergeschwemmt worden waren, sodass sie das Rad aus Angst vor einer Reifenpanne fast die ganze Strecke schob. Atemlos und erschöpft vom weiten Weg und dem lästigen Husten, stand sie endlich vor dem beeindruckenden Eisentor.
Als sie das Fahrrad die Zufahrt hinaufschob, sah sie, dass dort,wo der Regen den Kies weggespült hatte, schon Unkraut aus der Erde spross. Ein paar größere Sträucher zu beiden Seiten waren von einer umgestürzten Palme zerknickt worden, und das nasse Gras war ausgewuchert und übersät von Zweigen und Blättern. Die Steinlöwen, die so stolz zu beiden Seiten der imposanten Eingangstür wachten, waren bemoost, und die Blumen in den Rabatten waren vom unerbittlich niederprasselnden Regen platt gedrückt. Verzweifelt schnalzte Edith mit der Zunge. In den Tropen dauerte es nicht lange, bis Menschenwerk in Auflösung geriet. Schon wollte die Natur Dimitris Reich wieder in Besitz nehmen.
Sie ließ ihr Fahrrad wie immer an der Küchentür stehen und ging hinein. Es roch muffig, und die Herde waren kalt. Im Spülbecken stapelte sich schmutziges Geschirr. Eine Atmosphäre der Verlassenheit erfüllte den Raum. Sie ging weiter in die Eingangshalle. Stille empfing sie, und sie blieb stehen und lauschte. Nichts regte sich, und sie hörte nur das Knacken und Ächzen im Gebälk des großen Hauses. Die Asche im Kamin war kalt. Auf dem Tisch der Rezeption lag eine stumpfe Staubschicht, und die Blumen in den Vasen waren verwelkt.
»Hallo!«, rief sie. Ihre Stimme hallte zwischen den Wänden wider. Niemand antwortete, und sie runzelte die Stirn. Sie rief noch einmal, lauter jetzt, und der Ruf endete in einem Hustenanfall. Noch immer antwortete niemand. Sie lief durch die Räume im Erdgeschoss und fand alles vernachlässigt. Die schönen Teppiche waren seit Wochen nicht gebürstet worden, Vorhänge und Wandteppiche hatten erste Stockflecken. Eine dicke Staubschicht bedeckte alles, und sie ging mit wachsendem Zorn von Zimmer zu Zimmer. Kane und seine Frau hatten die ganzen Regenwochen hindurch gefaulenzt. Man würde eine Armee von Dienstboten und ein paar Wochen brauchen, um das Hotel wieder auf Hochglanz zu bringen.
Sie stieg die Treppe hinauf und rief immer wieder. Nur das Echo ihrer eigenen Stimme kam zurück und verspottete sie. Siedurchstreifte die Gästezimmer und erreichte schließlich das Dienstbotenstockwerk. Sie schaute in Schubladen und Schränke, aber nirgends war eine Spur von Kane, der Frau und der Göre. Sie blieb auf dem Treppenabsatz stehen und nagte am Daumen. Statt sich darüber zu freuen, dass sie das Hotel für sich allein hatte, empfand sie irgendetwas an diesem Verschwinden als beunruhigend. Als sie wieder im Erdgeschoss angekommen war, wusste sie, was es war.
Dimitris Wohnung schien unberührt zu sein, aber als sie durch seine Zimmer wanderte, entdeckte sie die Lücken. Zwei silberne Kerzenleuchter fehlten, drei seiner goldenen Schnupftabaksdosen und die silberne Haarbürste auf der Frisierkommode. Aufmerksamer geworden, besichtigte sie die öffentlichen Räume noch einmal. Ein kleines Gemälde hing nicht mehr an seinem Platz, und mehrere Silberplatten waren von der Anrichte im Speisesaal verschwunden.
Erbost hallten ihre Schritte über den Marmorboden, als sie durch die Küche in ihr kleines Büro eilte. Die Kontobücher waren nirgends zu finden, aber das war kaum noch überraschend – Kane würde sie vernichtet haben, sobald sie das Haus verlassen hatte. Doch als
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