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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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träumte von Geld. Jeden August erhielten wir mit der Post die neueste Ausgabe des Sears-Roebuck-Katalogs, und nur wenige Ereignisse waren bedeutender, zumindest in meinem Leben. Er war braun verpackt, kam den weiten Weg aus Chicago, und wurde auf Geheiß von Gran am Ende des Küchentischs aufbewahrt, neben dem Radio und der Familienbibel. Die Frauen studierten die Kleider und die Hausausstattung. Die Männer prüften die Werkzeuge und die Autoersatzteile. Ich jedoch wandte mich den wirklich wichtigen Dingen zu - Spielsachen und Sportartikel. Im Geist machte ich heimlich Wunschlisten für Weihnachten. Ich wagte nicht, all die Dinge, die ich mir wünschte, aufzuschreiben. Jemand könnte eine Liste finden und glauben, dass ich entweder hoffnungslos gierig oder geisteskrank wäre.
    Auf Seite 308 des aktuellen Katalogs war eine unglaubliche Anzeige für Baseball-Jacken. Nahezu jede Profimannschaft hatte ihre eigene Jacke. Das Erstaunlichste an der Anzeige war, dass der junge Mann, der als Modell fungierte, eine Jacke der Cardinais trug, und sie war in Farbe, ein leuchtendes Cardinal-Rot. Die Jacke war aus einem glänzenden Stoff und hatte weiße Knöpfe. Aus all den Mannschaften hatte jemand bei Sears-Roebuck mit nachtwandlerischer Sicherheit die Cardinais für die Anzeige ausgewählt.
    Die Jacke kostete sieben Dollar fünfzig plus Versandkosten.
    Und es gab sie zudem in Kindergrößen, was ein großes Dilemma für mich war, weil ich zwangsläufig noch wachsen würde, die Jacke jedoch für den Rest meines Lebens tragen wollte.
    Zehn Tage harte Arbeit, und ich hätte genug Geld, um die Jacke zu kaufen. Ich war mir sicher, dass nichts Vergleichbares je in Black Oak, Arkansas, gesichtet worden war. Meine Mutter meinte, sie wäre ein bisschen knallig, was immer das bedeuten mochte. Mein Vater sagte, dass ich Stiefel brauchte.
    Pappy hielt es für eine Geldverschwendung, aber ich wusste, dass sie ihm insgeheim gefiel.
    Bei der ersten Andeutung von kühlem Wetter würde ich die Jacke jeden Tag in die Schule anziehen und sonntags in die Kirche. Ich würde sie tragen, wenn wir samstags in die Stadt fuhren, ein roter Blitz zwischen den langweilig gekleideten Scharen, die die Gehsteige bevölkerten. Ich würde sie überallhin anziehen, und alle Kinder (und viele Erwachsene) in Black Oak würden mich darum beneiden.

    Sie hätten nie Gelegenheit, für die Cardinais zu spielen.
    Andererseits würde ich in St. Louis berühmt werden. Wichtig war es, schnellstmöglich so auszusehen, als gehörte man dazu.
    »Lucas!«, durchdrang eine strenge Stimme die Stille der Felder.
    In der Nähe schnappten Zweige.
    »Ja, Sir«, sagte ich und sprang auf die Beine, beugte mich vor und steckte meine Hände in die nächste Samenkapsel.
    Plötzlich ragte mein Vater vor mir auf. »Was tust du?«, fragte er.
    »Ich musste pinkeln«, sagte ich, ohne mit den Händen innezuhalten.
    »Das hat aber lang gedauert«, sagte er. Er war nicht überzeugt.
    »Ja, Sir. Der viele Kaffee.« Ich blickte zu ihm auf. Er kannte die Wahrheit.
    »Versuch mitzuhalten«, sagte er, drehte sich um und marschierte wieder davon.
    »Ja, Sir«, sagte ich zu seinem Rücken, wohl wissend, dass ich mit ihm nie würde mithalten können.
    In einen Zwölf-Fuß-Sack, wie ihn die Erwachsenen trugen, passten etwa sechzig Pfund Baumwolle, sodass die Männer gegen halb neun, neun so weit waren, ihren Sack zum ersten Mal wiegen zu lassen. Pappy und mein Vater waren für die Waage verantwortlich, die am Ende des Anhängers angebracht war. Einem von beiden wurde der Sack hinaufgehoben, die Riemen wurden über die Haken an der Waage gehängt. Die Nadel bewegte sich wie der Minutenzeiger einer großen Uhr.
    Alle konnten sehen, wie viel jeder gepflückt hatte.
    Pappy trug die Zahlen in ein kleines Buch neben der Waage ein. Dann wurde der Sack mit Baumwolle noch ein Stück weiter nach oben gehievt und in den Anhänger geleert. Es blieb keine Zeit zum Ausruhen. Der leere Sack wurde heruntergeworfen, und der Pflücker fing ihn auf. Dann machte er sich an die nächste Reihe und verschwand für zwei weitere Stunden.
    Ich befand mich mitten in der endlosen Reihe, schwitzte in der Sonne, beugte mich vor, versuchte, so schnell wie möglich mit den Händen zu arbeiten, und blieb gelegentlich stehen, um den Fortschritt von Pappy und meinem Vater im Auge zu behalten, damit ich vielleicht eine weitere Pause einlegen könnte. Aber es fand sich keine Gelegenheit, meinen Sack fallen zu lassen. Stattdessen ackerte

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