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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Die Leiche würde erst in zwei Monaten überführt, vielleicht auch nie. Er war zwanzig Jahre alt und hatte zu Hause in Kennett, Missouri, eine junge Frau.
    Während dieser Gespräche betrat Reverend Akers den Raum und setzte sich neben Mrs Dockery. Er nahm ihre Hand, und sie beteten lange, ergriffen und lautlos. Die gesamte Gemeinde hatte sich versammelt, betrachtete sie und wartete darauf, ihr zu kondolieren.
    Pappy verließ nach ein paar Minuten den Raum.

    So sieht es also aus, dachte ich, wenn unsere schlimmsten Befürchtungen eintreffen: Von der anderen Seite der Welt wird uns die Nachricht geschickt, dass er tot ist. Dann scharen sich Freunde um uns, und alle weinen.
    Ich hatte plötzlich einen Kloß im Hals, und meine Augen wurden feucht. Ich sagte mir: Das kann uns nicht passieren.
    Ricky fährt dort drüben keinen Jeep, und er wäre nicht so dumm und würde auf eine Mine fahren. Er wird bestimmt nach Hause kommen.
    Ich wollte mich nicht dabei ertappen lassen, dass ich weinte, deswegen schlich ich mich aus dem Gebäude und sah gerade noch, wie Pappy in den Pick-up stieg. Ich setzte mich zu ihm, und wir starrten lange Zeit durch die Windschutzscheibe; dann ließ er wortlos den Motor an und fuhr los.
    Wir fuhren an der Entkörnungsanlage vorbei. Obwohl sie sonntags still dastand, wünschte sich jeder Farmer insgeheim, dass sie mit voller Lautstärke arbeiten würde. Sie war nur drei Monate im Jahr in Betrieb.
    Wir verließen ohne bestimmtes Ziel die Stadt, zumindest konnte ich nicht feststellen, dass wir eines ansteuerten. Wir blieben auf den Nebenstraßen, die unbefestigt und staubig waren, die Baumwollreihen reichten bis an den Straßenrand.
    Seine ersten Worte waren: »Dort wohnen die Siscos.« Er machte eine Kopfbewegung nach links, nicht willens, eine Hand vom Steuerrad zu nehmen. In der Ferne, kaum sichtbar oberhalb der Baumwollsträucher, stand das typische Haus armer Farmpächter. Das verrostete Blechdach hing durch, die Veranda war halb eingestürzt, um das Haus war nur Erde, und die Baumwolle wuchs fast bis zur Wäscheleine. Ich sah niemanden und war erleichtert. So wie ich Pappy kannte, hielt ich es durchaus für möglich, dass er plötzlich das Bedürfnis verspürte, auf ihren Hof zu fahren und einen Streit vom Zaun zu brechen.
    Wir fuhren langsam weiter durch die endlosen flachen Baumwollfelder. Ich schwänzte die Sonntagsschule, ein nahezu unglaubliches Extravergnügen. Meiner Mutter würde es nicht gefallen, aber sie würde sich nicht mit Pappy anlegen. Sie hatte mir erzählt, dass er und Gran meine Nähe suchten, wenn sie sich die größten Sorgen um Ricky machten.
    Er entdeckte etwas und bremste ab. »Das ist die Farm der Embrys«, sagte er und nickte. »Siehst du die Mexikaner?« Ich streckte mich und reckte den Hals und sah sie schließlich, vier oder fünf Strohhüte mitten in dem weißen Ozean, die sich duckten, als hätten sie uns gehört.
    »Sie pflücken am Sonntag?«, sagte ich.
    »Ja.«
    Wir wurden wieder schneller und waren bald außer Sichtweite. »Was wirst du tun?«, fragte ich, als handelte es sich um ein Verbrechen.
    »Nichts. Das ist Sache der Embrys.«
    Mr Embry war Mitglied unserer Kirchengemeinde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass am Tag des Herrn mit seiner Erlaubnis gearbeitet wurde. »Weiß er davon?«, fragte ich.
    »Vielleicht nicht. Wird nicht schwierig sein für die Mexikaner, sich rauszuschleichen, nachdem er zur Kirche gefahren ist«, sagte Pappy nicht gerade überzeugt.
    »Aber sie können die Baumwolle nicht selbst wiegen«, sagte ich, und Pappy lächelte.

    »Nein, vermutlich nicht«, sagte er. Und so entschieden wir, dass Mr Embry seinen Mexikanern gestattete, am Sonntag zu pflücken. Jeden Herbst gab es Gerüchte, dass so etwas vorkam, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein so vorbildlicher Mann wie Mr Embry sich so versündigte. Ich war entsetzt; Pappy nicht.
    Die armen Mexikaner. Sie wurden hergekarrt wie Vieh, arbeiteten wie die Hunde und wurden um ihren einzigen Ruhetag gebracht, während sich ihr Besitzer in der Kirche versteckte.

    »Das behalten wir für uns«, sagte Pappy erfreut, dass er ein Gerücht bestätigt hatte. Mehr Geheimnisse.

    * * *
Wir hörten die Gemeinde singen, als wir uns der Kirche näherten. Ich war noch nie davor gewesen, wenn ich eigentlich in der Kirche hätte sollen. »Zehn Minuten zu spät«, murmelte Pappy vor sich hin, als er die Tür öffnete. Die Leute standen und sangen, und wir konnten, ohne groß zu stören,

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