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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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natürlich, auf der einen Seite, suchten hinter und zwischen ihren Baumwollanhängern Deckung und ballerten drauflos; die Bösen, die Siscos und ihre Freunde, auf der anderen Seite, erwiderten das Feuer. Frisch gepflückte Baumwolle flog durch die Luft, als die Anhänger einen Treffer nach dem anderen abkriegten. Fensterscheiben barsten. Autos explodierten. Als wir über den Fluss fuhren, lagen überall auf dem Areal der Entkörnungsanlage Tote.
    »Willst du jemand erschießen?«, fragte ich in dem Bemühen, Pappy eine Aussage abzuzwingen.
    »Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten«, sagte er barsch und wechselte den Gang.
    Vielleicht hatte er eine Rechnung zu begleichen mit jemandem, der ihn beleidigt hatte. Bei dieser Gelegenheit fiel mir eine der beliebtesten Chandler-Geschichten ein. Als Pappy noch viel jünger war, bewirtschaftete er wie alle Farmer die Felder mit Maultieren. Das war lange, bevor Traktoren verbreitet waren, und alle Arbeiten auf einer Farm wurden von Mensch und Tier erledigt. Ein Taugenichts von Nachbar namens Woolbright beobachtete Pappy eines Tages bei der Feldarbeit, und offenbar hatte Pappy an diesem Tag große Schwierigkeit mit den Maultieren. Laut Woolbright schlug Pappy mit einem dicken Stock auf die Köpfe der armen Biester ein. Als Woolbright die Geschichte später im Tea Shoppe erzählte, sagte er: »Hätte ich einen nassen Sack gehabt, dann hätte ich Eli Chandler eine Lektion erteilt.« Diese Worte machten die Runde und kamen Pappy zu Ohren. Ein paar Tage später, nach einem harten Tag auf den Feldern, nahm Pappy einen Sack, legte ihn in einen Eimer mit Wasser, verzichtete aufs Abendessen und marschierte die drei Meilen zu Woolbrights Haus. Oder fünf oder zehn Meilen, je nachdem, wer die Geschichte erzählte.
    Dort angekommen, rief er Woolbright zu, er solle herauskommen, damit sie die Sache regeln könnten. Woolbright war gerade mit dem Essen fertig und hatte vielleicht ein Haus voller Kinder, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls ging Woolbright zur Fliegengittertür, sah hinaus auf den Hof und beschloss, dass er im Haus sicherer wäre.
    Pappy forderte ihn mehrmals auf, herauszukommen. »Hier ist dein Sack, Woolbright!«, rief er. »Komm raus und bring die Sache zu Ende.«
    Woolbright zog sich tiefer ins Haus zurück, und als klar war, dass er nicht herauskommen würde, warf Pappy den nassen Sack durch die Fliegentür. Dann ging er die drei oder fünf oder zehn Meilen zurück nach Hause und ins Bett - ohne Abendessen.
    Ich hatte die Geschichte oft genug gehört, um sie zu glauben.
    Sogar meine Mutter glaubte sie. Eli Chandler war in jüngeren Jahren ein heißblütiger Raufbold gewesen, und auch mit sechzig brannten ihm die Sicherungen noch immer schnell durch.
    Aber er würde niemanden umbringen außer in Notwehr. Und er zog seine Fäuste oder weniger bedrohliche Waffen wie nasse Säcke vor. Die Flinte hatte er nur für den Notfall mitgenommen. Die Siscos waren Verrückte.
    Die Entkörnungsanlage dröhnte laut, als wir vorfuhren. Eine lange Reihe Anhänger stand vor uns, und ich wusste, dass wir Stunden würden warten müssen. Es war dunkel, als Pappy den Motor abstellte und mit den Fingern auf das Lenkrad trommelte. Die Cardinals spielten, und ich wollte so rasch wie möglich nach Hause zurück.
    Bevor er ausstieg, verschaffte sich Pappy einen Überblick über die Anhänger, die Pick-ups und Traktoren, sah den Erntehelfern und den Leuten der Entkörnungsanlage bei der Arbeit zu. Er hielt Ausschau nach Ärger, und als er keinen entdeckte, sagte er schließlich: »Ich geh uns anmelden. Du wartest hier.«
    Ich sah ihm nach, wie er über den Kies schlurfte und sich zu einer Gruppe Männer vor dem Büro stellte. Dort unterhielt er sich eine Weile und hörte zu. Eine andere Gruppe stand neben einem Anhänger in der Reihe vor uns, junge Männer, die rauchten, plauderten und warteten. Die Anlage war zwar das Zentrum der Aktivitäten, aber es ging nur langsam voran.
    Ich sah kurz eine Gestalt, die sich von hinten dem Pick-up näherte. »Hallo, Luke«, sagte eine Stimme, und ich erschrak.
    Als ich mich umdrehte, erkannte ich das freundliche Gesicht von Jackie Moon, ein großer Junge, der nördlich der Stadt lebte.
    »Hallo, Jackie«, sagte ich erleichtert. Einen Sekundenbruchteil hatte ich geglaubt, dass einer der Siscos mir nachgestellt hätte.
    Er lehnte sich an den vorderen Kotflügel, wandte der Anlage den Rücken und förderte eine bereits gerollte Zigarette zu Tage. »Habt

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