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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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aufspielen‹, sagte sich die Bertel, und dachte nicht weiter daran. Jetzt
aber, beim Anblick der Geschwister, die sich so rasch und innig mit ihrer
sizilianischen Cousine angefreundet hatten, und beim Erinnern an das bleiche,
leidvolle Gesicht Violas, als sie ihr vorhin das Frühstück ans Bett serviert
hatte, begann ihr das Gewissen zu schlagen. Warum mußte sie auch immer so rasch
mit dem Mundwerk sein! Vielleicht hatte sie eine Dummheit gemacht — die der
junge Herr ihr nie verzeihen werde... Angstvoll lauschte sie auf jedes Zeichen
der Haustürklingel, stets in der Erwartung, uniformierte Gendarmen — oder gar
Geheimpolizisten (mit klirrenden Handschellen und Revolvern, stellte sie sich
vor) — erscheinen zu sehen; aber außer dem Postboten und den gewohnten
Lieferanten, der Nähmamsell und der zum Abwaschen bestellten Bäumlern — denn
die Köchin hatte heut Ausgang — kam den ganzen Tag niemand. Seltsam war nur,
daß bald nach dem Mittagessen ein Anruf vom Bezirksamtmann in Walluf kam, durch
den die Bäumlern aufgefordert wurde, sich baldmöglichst dort einzufinden.
Jeanmarie begleitete sie, da Panezza abwesend war.
    Am frühen Abend war ein leichtes
Familiensouper gerichtet, zu dem nur Katharina Bekker, ohne ihre Angehörigen
oder ihren vorgesehenen Bräutigam, geladen war — denn heute nacht fand zum
Abschluß des Karnevals der große, populäre ›Halleball‹ statt, ein riesiger
Maskentanz in sämtlichen Räumen des Stadthallengebäudes — in der Fastnachtszeit
nur die ›Narrhalla‹ genannt — , der für alle Stände und Schichten der
Bevölkerung, für die Spitzen der Gesellschaft ebenso wie für ihre Angestellten
und Dienstboten, das Ereignis des Jahres bedeutete.
    Es war von langer Hand verabredet, daß
Katharina den ›Halleball‹ mit ihrer Freundin Bettine gemeinsam besuchen werde —
für sie die erste Gelegenheit, unbelastet von ihrer Prinzessinnenrolle und all
der anstrengenden Publizität, die Fastnacht auch als Privatperson zu genießen
und sich wie die andern zu amüsieren.
    Katharina kam mit Panezza, beide noch
in ihren Prachtkostümen, von der nachmittägigen ›Kappefahrt‹, dem großen Korso,
bei dem sie zum letztenmal, in einem eleganten Zweispänner auf Gummirädern
bequem zurückgelehnt, als Prinz und Prinzessin repräsentierend, Mimosen- und
Veilchensträußchen, Orangen und Mandarinen in die Menge geworfen hatten — um dann
in einer kurzen, aber höchst feierlichen Zeremonie von ihrem Amt zurückzutreten
und es, durch Überreichung des Zepters und der sonstigen Embleme an den Großrat
der Närrischen Elf, der nächstjährigen Wahl zur Verfügung zu stellen.
    Beim Abendessen herrschte eine
gedämpfte Stimmung, trotz des spritzigen Moselweins, dem Panezza mehr als
gewöhnlich zusprach — Katharina schien müde zu sein, und Frau Clotilde fühlte
sich, was niemanden erstaunte, nicht wohl, da draußen Föhnwind herrschte, ließ
sich mit Ei verrührten Rotwein reichen und zuckte bei jedem Anklingen eines
Glases oder jedem Tellergeräusch wehleidig zusammen. Nur Bettine war von einer
ungewöhnlichen, exaltierten Lustigkeit, die sie mit Mühe zurückhielt, solange
ihre Mutter dabei war — immer wieder mußte sie ein Kichern oder Auflachen
unterdrücken, und von Zeit zu Zeit flüsterte sie der neben ihr sitzenden
Katharina oder auch der Bertel, die die Platten herumreichte, etwas ins Ohr.
Kaum hatte Frau Clotilde die Tafel aufgehoben und sich zu ihren Kopfweh- und
Schlaftabletten zurückgezogen, da faßte sie die beiden anderen Mädchen,
Katharina und Viola, an der Hand und zog sie mit sich aus dem Zimmer und die
Treppen hinauf in die Nähstuben, wo die Ballkostüme bereit lagen.
    »Was hat nur Bettine«, sagte Panezza,
der mit Jeanmarie bei einem Kognak und einer Zigarre zurückgeblieben war.
    »Ich weiß nicht«, sagte Jeanmarie ohne
Interesse, »sie hat sich wohl irgendeinen Schabernack für den Ball ausgedacht.«
    »Nun«, sagte Panezza, »dann müssen wir
uns allmählich auch fertig machen. Am liebsten«, fügte er mit einem
unterdrückten Gähnen hinzu, »blieb ich zu Hause.«
    »Warum tust du es nicht«, sagte
Jeanmarie.
    »Ach was«, sagte Panezza, wie in Wut
auf sich selbst, und stand auf, »man soll sich nicht gehenlassen.«
    »Ich muß dir noch sagen«, hielt
Jeanmarie ihn zurück, »sie haben die Leiche des Ferdinand Bäumler freigegeben.
Er wurde heut nachmittag über das Bezirksamt Walluf hierher gebracht — ich habe
die Bäumlern dabei begleitet — und im

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