Die Fastnachtsbeichte
wurde,
herauszukriegen — eventuell durch Bestechung ihrer Zofen oder Nähfrauen, oder
es gelang ihnen doch, einen Blick in die verbotene Kleiderkammer zu werfen. So
wußte Katharina genau, daß sich’s ihr zudringlicher Assessor ein blankes
Fünfmarkstück hatte kosten lassen, um von ihrer Hausschneiderin eine
Beschreibung und ein Stoffmuster ihres heutigen Kostüms zu bekommen; auch
Jeanmarie hatte wohl eine Ahnung, was Viola tragen solle — und darauf war
Bettines Plan aufgebaut. Die exaltierte Lustigkeit, die sich ihrer bemächtigt
und ihr Gesicht mit roten Flecken durchfeuert hatte, teilte sich bald den
anderen Mädchen mit, die mit nackten Armen und Schultern, in ihren weißen
Hemden, Miedern und fliegenden Unterröckchen, einander beim Probieren,
Ankleiden, Zumachen und Feststecken der Kostüme halfen. Sogar Viola hatte ein
heißes Gesicht und zeigte lachende Lippen. Nur Katharina benutzte eine Ausrede,
um sich für ein paar Minuten von den anderen zu entfernen. Dann aber beteiligte
sie sich mit unverstellter Freude an dem Spaß der gegenseitigen Vergewandung. Bei
Viola und Bertel war es nicht schwer, da sie fast die gleiche Figur hatten.
Katharina und Bettine aber waren zwar gleich groß, jedoch war Bettine trotz
ihrer dreiundzwanzig Jahre noch mädchenhaft mager und busenlos, während
Katharina mit ihren neunzehn schon in schöner fraulicher Reifung schwellte, so
daß die Nähmamsell in aller Eile das eine Kostüm an der und jener Stelle
erweitern, das andere mit weichen Wäschestücken und Watte auspolstern mußte.
Für Viola — deren Gepäck übrigens noch immer nicht gekommen war, man nahm an,
daß es an einer Grenze hängengeblieben sei — war eine schwarz mit rot
changierte Pierette vorgesehen, in die aber jetzt das Mädchen Bertel schlüpfte,
während sie selbst sich in das kurzberockte, hemdartig anliegende, mit vielen
bunten Flicken besetzte Kostüm einer Zigeunerin kleidete, das eigentlich Bertel
hätte tragen sollen. Selbstverständlich wurden auch die Gesichtslarven und die
Kopfbedeckungen entsprechend vertauscht, und da sie und Bertel beide dunkel-
und etwas kraushaarig waren, gelang es ihnen, fast gleich aussehende
Korkenzieherlocken rechts und links über ihre Ohren baumeln zu lassen.
Bettine aber und Katharina waren beide
in Seide, Damast und Spitze als große Damen des Rokoko kostümiert, nur hatten
sie die Farben, Rosa gegen Blau, und auch die umgekehrt gefärbten
Gesichtslarven vertauscht, und ihre Haare waren unter weiten, flockigen
Allongeperücken versteckt.
Man konnte sich Zeit lassen, denn der
Hauptspaß pflegte erst in den späten Abendstunden zu beginnen, wenn alle Räume
gedrängt voll waren und schon das Suchen derjenigen, die einander oder jemand
anderen finden wollten, aufregende Verwirrung ergab — und Bettine spielte den
anderen Mädchen ausführlich vor, wie sie Katharinas ›Assessor‹ springen zu
lassen und zu vexieren gedachte. Viola ließ sich indessen von der schmiegsamen
Bertel die landesüblichen Tanzschritte zeigen, denn von Rheinländer, Drehwalzer
oder Hoppgalopp hatte sie in ihrer heimatlichen Gesellschaft nichts gelernt.
Wie üblich, fuhren die Herren, Panezza und
Jeanmarie, zuerst in einem bestellten Wagen, der dann zurückeilte, um die immer
etwas später erscheinenden Damen abzuholen. Panezza hatte den Wagen für den
ganzen Abend gemietet, damit ihm selbst und den Mädchen das Gedränge an der
überfüllten Garderobe erspart blieb: man konnte die Mäntel und Schals in der
Obhut des Fahrers zurücklassen, mit dem ein sicherer Standplatz ausgemacht war.
Ab ein Uhr früh, nach der Demaskierung, würde man ihn zur Heimfahrt bereit
finden.
Er und Jeanmarie waren in einfache, weiße
Pierrots mit Pompons und breiten Ärmelsäumen gekleidet und in
verschiedenfarbige, seidene Domino-Umhänge gehüllt, mit denen auch die Farben
ihrer Gesichtslarven abgestimmt waren. Erst als Panezza beim Aussteigen in
seiner Manteltasche kramte, um dem Chauffeur ein Trinkgeld zu geben, fand er
darin den Zettel in Katharinas Handschrift, der ihn mit ein paar Worten,
warnend, von dem Kostümtausch verständigte. Der Schreck fuhr ihm nachträglich
in die Glieder. Was hätte passieren können, wenn er seine Tochter mit Katharina
verwechselt hätte — die er vielleicht heute zum letztenmal, wenn auch nur im
Tanz und inmitten eines Menschengewimmels, in seinen Armen halten würde. Ernst
und im Innersten erschüttert, knüllte er den Zettel zusammen, um ihn
wegzuwerfen, dann
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