Die Fastnachtsnarren. Humoresken
Dieser hatte gestern am späten Nachmittage die Füchse vor die Kutsche gespannt; darauf war der Director mit Schmidt und dem Zettelträger, welcher verschiedene Packete bei sich geführt hatte, eingestiegen, und dann war es fortgegangen, wohin, das wußte der Schwannenwirth nicht, obgleich er es sich denken konnte. Noch spät am Abend hatte er von einem Gaste, welcher Lohnkutscher war, gehört, daß Anton sich bei ihm für kurze Zeit zwei eingeschirrte Pferde geliehen und zur bestimmten Stunde auch wieder zurückgebracht habe. Er suchte zu errathen, was die vier Männer eigentlich vorgehabt hatten, aber es wollte dabei gar nichts Rechtes herauskommen. Vielleicht konnte er jetzt von den Ebersbachern etwas erfahren.
»Wie geht’s da draußen bei Euch?« frug er, indem er sie bediente.
»Denke, gut, wenn man das Schlechte nicht rechnet!«
»So ist’s wohl überall! Und leider erfährt man jetzt mehr Schlechtes als Gutes. Das Geschäft stockt, das Geld fehlt, die Wirthshäuser stehen leer, und nur die Zeitungen machen gute Geschäfte. Nach ihnen greift man schon am frühen Morgen, um zu sehen, ob es endlich nun bald losgehen wird.«
»Um das zu wissen, braucht man keine Zeitung. Los geht’s, das ist sicher!«
»Das fragt sich. Wo anders wollt Ihr so etwas erfahren, als in den Blättern!«
»In Ebersbach brauchen wir Eure Blätter nicht. Diesmal wissen wir Alles ganz genau, noch viel, viel besser, als sie es in Berlin wissen!«
»Da hat es Euch wohl der Bismark geschrieben?«
»Nein, geschrieben nicht!«
»Ach ja, Ihr habt ja einen Bismark draußen; da wäre das Schreiben ja eine Thorheit!«
»Ihr meint den Werner? Hört, Ihr Beide seid zwei dicke Feinde miteinander; aber, Schwanenwirth, den Werner macht Ihr uns nicht schlecht, denn das ist ein Kerl, der Haare auf den Zähnen hat, darauf könnt Ihr Euch verlassen!«
»So? Na, da seid froh, daß Ihr ihn habt!«
»Ja, das sind wir auch, denn wenn wir ihn nicht hätten, so stände es mit uns vielleicht nicht zum Allerbesten, wenn nächstens die Russen und Franzosen hier in die Gegend kommen.«
»Ihr seid wohl nicht recht klug? Die Russen und Franzosen hier in unsere Gegend?«
»Wer von uns Beiden nicht recht klug ist, das wird sich finden! Wir aber wissen, daß wir bald die Zuaven und Turkos sammt den Kosaken und Baschkiren hier zu sehen bekommen. Freilich, woher wir es erfahren haben, das ist unsere Sache.«
Werner hatte zwar gestern Abend verboten, von dem Geschehenen zu sprechen, aber welcher Ebersbacher hätte unter solchen Verhältnissen zu schweigen vermocht! Die braven Bauersleute waren in die politischen Geheimnisse tiefer eingeweiht als das hohe Ministerium sammt dem Reichstage und allen Prinzen und Prinzessinnen des kaiserlichen Hauses, und hier zu schweigen, das wäre nicht nur Thorheit, sondern geradezu die größte Sünde gegen die eigene Ehre und Ambition gewesen. Franke kannte also die großen Ereignisse des gestrigen Abends und heutigen Tages bald ebenso gut wie die Ebersbacher selbst, und nun war ihm auf einmal Alles klar. Aeußerlich zwar mußte er seine Ruhe bewahren, aber innerlich war er voller Freude und Jubel, denn wie er seinen Gegner kannte, so war ein Besuch Bismarks allerdings das einzige und richtige Mittel, ihn vom Termine abzuhalten, und die Angst vor der gefürchteten Stunde minderte sich mit jeder Minute, welche sie näher rückte.
Endlich war sie da. Franke griff nach der Mütze und ging. Das Zimmer hatte sich mit Gästen gefüllt, von denen nur sehr Wenige nicht aus Ebersbach waren, und man belagerte förmlich die Fenster, denn jetzt mußte auch Werner kommen, und ein einziger Blick genügte ja, zu sehen, ob ihm sein Vorhaben gelungen sei.
Es schlug zehn. Der Erwartete kam nicht. Es schlug ein Viertel und sogar halb, er war noch nicht da. Eine Stunde grad mußte auf ihn gewartet werden, so viel Frist gestattete ihm das Gesetz, war er aber um elf noch nicht erschienen, so hatte er den Proceß verloren. Er mußte also bis dahin noch kommen.
Da fuhren jetzt plötzlich alle Köpfe an das Fenster und wandten sich dann nach der Thür. Werner war es nicht, nach dem man blickte, sondern Lisbeth, seine Tochter, welche mit Anton eintrat. Sie erröthete verlegen, als sie die Augen von lauter Bekannten verwundert auf sich gerichtet sah, wurde aber von ihrem Begleiter sofort in die Küche geführt, wo er sie der Mutter übergab.
Das Erscheinen des Mädchens gab natürlich Veranlassung zu lebhaften Vermuthungen und zu Fragen, welche
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