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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihn mit sich fort. Die helle Freude lachte aus seinem Gesichte, und bei dem Bäckerhause angekommen, hatte er für seine Kameraden nicht die geringste Aufmerksamkeit mehr übrig, sondern schob den Gast durch das Gitterthor des Vorgärtchens und eilte, den Esel am Zaume nehmend, hinter ihm her. – –
    Von einem Fenster des ersten Stockwerkes aus hatten zwei Frauen dem Exercitium der jugendlichen »Löffelgarde« zugesehen und auch den Ankömmling bemerkt. Die Eine war eine ältliche, hagere Dame, deren scharfe, strenge Züge sich bei seinem Anblicke zusehens verfinsterten. Die Andere, ein junges Mädchen von in die Augen fallender Anmuth und Lieblichkeit, trat hoch erröthend und mit freudiger Ueberraschung in dem schönen Angesichte einen Schritt vom Fenster zurück, um der Mutter nicht den Eindruck bemerken zu lassen, welchen sein Erscheinen auf sie hervorgebracht hatte. Dieser aber war die freudige Erregung der Tochter nicht entgangen, und mit streng verweisendem Tone sagte sie:
    »Bist wohl ganz glücklich, daß sich der Mensch wieder sehen läßt? Bilde Dir nur nicht etwa ein, daß ich einen Verkehr zwischen Euch leide. Hier bin ich Herr im Hause, und der Teigkneter soll sich nicht wieder unterstehen, mit meiner Tochter zu scharmuziren! Wenn Ihr etwa glaubt, daß ich so viel Mühe, Zeit und Geld auf Deine Erziehung verwendet habe, damit Du Rosinen lesen und Backschüsseln abstäuben sollst, so irrt Ihr Euch beide ganz gewaltig.«
    Marie senkte schweigend das Köpfchen; eine Erwiderung durfte sie bei dem Charakter der Mutter nicht wagen. Diese fuhr nach einer kurzen Pause fort:
    »Was ich für Absichten mit Dir habe, das weißt Du. Der Herr Schuldirector Pappermann in Grünewalde ist ein reputirlicher Mann, hat die hohe Schule besucht und kann seiner Frau eine sichere und geachtete Stellung bieten. Er ist Vorsteher bei den Turnern, die mit zum Vogelschießen eingeladen sind und wird morgen Quartier bei uns bekommen. Da wird Alles in Richtigkeit gebracht, und Du magst nur dafür sorgen, daß ich mit Dir zufrieden bin!«
    »Der? Die alte, vierzigjährige, spindeldürre Latte?« platzte Marie heraus.
    »Latte? Der Herr Schuldirector? Höre Mädchen, laß’ mich so ein Wort nicht noch einmal hören! Hier bin ich Herr im Hause, und was ich befehle, das geschieht! Seine Schwester ist meine beste Freundin schon aus langen Zeiten her, und Du kannst es Dir zur Ehre schätzen, eine solche Schwägerin zu bekommen!«
    »Schon aus langen Zeiten her! Und der Director ist noch acht Jahre älter als sie! Mama, soll ich denn schon jetzt in’s alte Register gerechnet werden?«
    »Eben Deiner Jugend und Unerfahrenheit wegen siehst Du jetzt noch nicht ein, wie gut ich es mit Dir meine; aber die Einsicht kommt schon noch, und dann wirst Du mir’s großen Dank wissen, daß ich so gut für Dich gesorgt habe. Herr Pappermann ist nicht nur ein erfahrener sondern auch ein sehr gemüthvoller Mann und versteht es, eine Frau glücklich zu machen. Keiner kann meinen lieben Schiller so hinreißend declamiren; Du hättest nur dabei sein sollen, als er bei meinem letzten Besuche das ›Lied von der Glocke‹ vorlas, dieses Gefühl, dieser Ausdruck, diese Begeisterung, diese Gestikulation!«
    Die gute Frau schwärmte nämlich für Schiller, aber ohne den großen Dichter auch nur im Geringsten zu verstehen, und der Herr Director hatte diese ihre Schwäche benutzt, sich in ihrem Wohlwollen festzusetzen. Bei der Erinnerung an die ausgezeichnete Vorlesung trat sie in die Mitte des Zimmers, warf die beiden Arme wegweiserartig in die Luft und säußelte mit dem mildesten Tone ihrer harten, klanglosen und unbiegsamen Stimme:
     
    »O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
    Der ersten Liebe goldne Zeit.
    Das Auge sieht – – –«
     
    Hier wurde sie unterbrochen; die Thür öffnete sich und ein rundes, gutmüthiges Gesicht blickte durch die entstandene Spalte.
    »Darf ich herein, Milchen?«
    Sie drehte sich um, zornig über die unwillkommene Unterbrechung ihrer künstlerischen Production.
    »Was giebt’s denn, Reichmann?« Sie hatte die Gewohnheit, ihren Gemahl nicht anders als bei seinem Familienamen zu rufen.
    »Ja, was ich Dir sagen wollte, Milchen: da ist morgen Vogelschießen, und mein Freund, der Stadtrath Korndörfer in Grünewalde, welcher zugleich Adjutant bei der dortigen Schützencompagnie ist – –«
    »Hat ein Auge auf unsre Marie geworfen,« fiel sie ihm spitz in die Rede, »und möchte sich morgen als Einquartirung in unsre Wohnung

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