Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Andern, denn Zweie konnten nicht beim Gänserich stecken, weil blos für Einen Platz d’rin war. Zuerst gehe ich in das Lattenhäuschen; aber da ist Niemand, und schon will ich wieder fort, als ich einen Hieb in’s Gesicht bekomme, daß mir das helle Feuer aus den Augen springt. Der Andre hat sich nämlich im Häuschen nicht sicher gewußt und ist in den Wollteufel gekrochen; aber da hat ihm die nöthige Topographie gefehlt, wie die Gelehrten sagen, und er ist mit den Beinen so an die Walze gestoßen, daß es mir die Kurbel in die Physiologie geschleudert hat. Ich aber fühle vor lauter Freude gar keinen Schmerz, mache die Klappe fest zu und suche nun das Mädchen auf, um ihr den Fang zu erzählen.
    »Da muß ich gleich den Vater wecken!« sagt sie.
    »Du, den läßt Du ruhig schlafen, sonst kriege ich Dich im ganzen Leben nicht zur Frau!«
    »Kriegst Du mich denn, wenn ich ihn nicht hole?«
    »Wollen sehen! Komm herein; wir wollen die Bibel wieder an ihren Platz legen, und dann will ich Dir sagen was wir machen.« – – –
    Am andern Morgen ist der Zeug-, Leinen-und Wollenweber August Ehregott Multumfranke beizeitener aufgestanden als gewöhnlich, weil ihm die Commersion im Kopfe herumgegangen ist.
    »Was war denn das heute Nacht für ein Spectakel mit dem Gänserich?« hat er gefragt.
    »Es wird Jemand auf der Gasse vorbeigegangen sein!«
    »Röse, riegle ihn gleich ‘mal fest ein, daß er nachher nicht etwa gar dem Gerichte in die Beine fährt!«
    Das hat dem Mädchen gepaßt. Freilich war er schon die ganze Nacht eingeschlossen gewesen, aber das sagte sie nicht. –
    Punkt Neune sehe ich den Meister über den Markt zum Stadtrichter gehen, wo der Termin abgehalten werden soll. Alles ist da, sogar der Amtmann, der sonst immer zwölf Stunden zu späte kommt, und nur die Rosenbaums fehlen. Da wird der Polizeidiener Eberhardt zu ihnen geschickt, aber er kommt allein zurück und meldet, daß der Agent schon seit gestern Abend nicht zu Hause gewesen sei. Der Termin muß also verschoben werden, aber die Besichtigung kann stattfinden, und nun steige ich so nach und nach aus meinem Webstuhle und fahre langsam in die Stiefeln.
    So ein Gerichtstag machte dazumal in unserm kleinen Neste Furole, wie die Gelehrten sagen, und vor Frankens Hausthür standen die Menschen so dicke beisammen, daß keine Stecknadel zur Erde fallen konnte. Ich drängte mich durch, und als ich in den Flur trat, hörte ich die beiden Franke’s draußen im Hofe lamentiren.
    »Ja,« sagte eben der Amtmann, »dieser Entwurf beweist höchstens, daß eine Schrift, wie die betreffende, hat angefertigt werden sollen, ob sie aber wirklich an-und auch ausgefertigt worden ist, das bleibt zu beweisen. Wenn Ihr nicht schwören wollt, so ist der Prozeß für Euch verloren.«
    »Schwören!« rief die Meisterin und schlug die Hände über dem Kopfe zusammen.
    »Schwören!« sagte der Meister, »nein, diese Sünde nehme ich nicht auf mich; denn es steht in der Bibel: ›Du sollst allerdinge nicht schwören!‹ Lieber mag das Lattenwerk verloren gehen und meinetwegen auch der Hof, das Geschäft, das ganze Haus obend’ rein!«
    Er war nämlich ein sehr frommer Mann und hatte vor dem Schwören einen ganz entsetzlichen Abscheu. – Da trat ich zu den Leuten.
    »Meister, was gebt Ihr mir, wenn ich’s mache, daß Ihr den Prozeß in einer Viertelstunde gewonnen habt?«
    Sie guckten mich Alle an, als ob ich gradewegs aus den Wolken herabgepurzelt wäre.
    »Was fällt Ihm ein – will Er mich vielleicht gar zum Narren machen?« fragte Franke, und der Amtmann that’s noch besser:
    »Wer hier nicht bestellt ist, der hat Nichts zu reden. Packe Er sich!«
    »Oho, Herr Amtmann, das werde ich bleiben lassen. Ihr habt nun ein Jahr lang in der Sache herumgesitzt und nichts Richtiges herausklauben können, und nun ich es in einer Viertelstunde ausmachen kann, werde ich mich nicht fortweisen lassen. ›
Nullum regulum sinum exceptum!
‹ wie die Gelehrten sagen, und ich bleibe da, wenn ich auch nicht bestellt worden bin!«
    So eine Wissenschaft hat der Mann bei mir gar nicht vermuthet, und die Ehrfurcht ist ihm gleich in alle Glieder geschlagen, weil es ihm noch nie arrevirt ist, daß ihn Einer in der Weise abgedonnert hat. Ich drehe ihm also auch stolz den Rücken hin und frage den Meister zum zweiten Male:
    »Also was gebt Ihr mir?«
    »Geben? Wenn Er’s ausmacht? Kann Er’s denn? Was will Er denn haben?«
    »Freilich kann ich’s, sonst würde ich es Euch doch nicht sagen!

Weitere Kostenlose Bücher