Die Fastnachtsnarren. Humoresken
wenn es gilt, Wort zu halten, dann sagt er einfach: ›Es geht nicht.‹ Aber ich bin Stadtrath, und er soll mit mir zu thun bekommen!«
»Beruhige Dich nur, Epperlein; wenn die Noth am größten, so ist die Hilfe am nächsten, und das Schellen-Daus ist auch nicht so von ungefähr gewesen.«
»Sei still mit Deinem Teufelsbuche! Und das Sprichwort, das sollte eigentlich auch nur heißen: Wenn die Noth am größten, so ist der Czar am weitesten. Von wem soll denn noch Hilfe kommen? Etwa von dem liebenswürdigen Herrn Doctor Leiermüller selber, der sich im Casino hinstellt und über den Absceß und meine Salbe öffentliche Glossen macht, so daß ich vor lauter Grimm und Wuth davongelaufen bin?«
»Grad’ dieses Davonlaufen ist der größte Fehler, den Du machen konntest; ihn mit Verachtung strafen, das wär’ viel gescheider gewesen! Nun lachen sie über uns, und wir, wir sind – was macht denn nur der Hund für einen Lärm da unter’m Kanapee? Joly, Joly, komm heraus – Epperlein, sieh’ doch einmal nach, was er hat; ich kann mich nicht gut bücken!«
»Was soll er denn haben? Er wälzt sich vor Vergnügen, weil’s ihm wohl ist, und ich werde gewälzt, weil’s Anderen zu wohl wird. Komm her, Racker; von der Verzückung kann ich Dir schon helfen!«
Er brachte den Hund am Schwanze hervorgezogen und langte dann noch einmal unter das Möbel hinein.
»Was ist denn das, Lieschen? Hier ist ja eine ganze Schüssel voll Wickelklöße! Wie kommen die unter das Kanapee? Und dabei warm; sie dampfen noch!«
»Wahrhaftig, das sind meine Wickelklöße. Die standen in der Küche, als wir gingen; ich weiß es ganz gewiß. Wie sind die hierher gekommen?«
»Wie? Da fragt diese Frau noch! Das versteht sich ja ganz von selbst, wie sie unter das Kanapee gekommen sind! Wenn bei uns die Wickelklöße verschwinden, so hat ganz sicher der Universalgalgenstrick die Hand dabei im Spiele. Ich werde ihn einmal suchen!«
»Rufe die Gustel, Epperlein! Sie ist in der Küche.«
»Du hast Recht, Lieschen. Ich werde ihr ganz gehörig auf das Leder steigen!«
Ohne an seine Aeußerung zu denken, daß er das Mädchen gar nicht wiedersehen wollte, ging er hinaus und brachte dann die angstvolle Delinquentin an dem Arme herbeigezogen. Die Schüssel ergreifend, hielt er ihr dieselbe vor das Gesicht und fragte mit zornbebender Stimme:
»Weißt Du, was das für Zeug ist?«
»Ja.«
»So sag’ einmal, sind es Wickelklöße oder Universalpflasterklöße?«
»Wickelklöße!«
»Na also –! Verstehst Du mich? – Wo steckt der Kerl?«
»Wer denn, Herr Stadtrath?«
»Laß den ›Stadtrath‹ jetzt bei Seite; mit ihm machst Du mich nicht kirr. Wo der Kerl ist, will ich wissen!«
»Ich weiß doch gar nicht, wen Sie meinen, Herr Epperlein!«
»So? Ach, guck’ einmal, Du weißt nicht, wen ich meine! Mach’s kurz, sonst helfe ich nach! Wo hat er sich verkrochen? Heraus mit ihm!«
»Aber, Herr Epperlein, ich kann doch –«
»Herrrraus, sage ich!« befahl er, mit dem Fuße stampfend.
»Herr Eperl –«
»Herrrrr –«
Er brachte die Silbe nicht zu Ende. Heinrich’s wundersame Position war während der letzten Scene immer unhaltbarer geworden. Die künstliche Stellung, welche zu behaupten er gezwungen war, streugte ihn so an, daß seine Glieder ein Zittern befiel, welches sich allmählich auch dem Kasten mittheilte und seinen Höhepunkt gerade in dem Augenblicke erreicht hatte, als der Fuß des Chirurgus mit aller Kraft die Diele stampfte. Der Stoß traf unglücklicherweise gerade das locker gelaufene Bret, auf welchem der Uhrkasten stand. Dieser gerieth dadurch ins Schwanken. Heinrich fuhr mit den Armen in die Höhe, um ihn zu halten, verlor aber dabei natürlich die Balance, schwankte einige Secunden lang mit dem unglückseligen Gehäuse hin und her, und dann – krach und pardauz – flogen Beide, so lang sie waren, hin in die Stube.
Die überraschende Niederlage des alle Vier von sich streckenden Helden rief einen unsäglichen Tumult hervor. Epperlein war erschrocken einige Schritte zurückgesprungen und schrie vor Entsetzen laut auf; das Dienstmädchen schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und suchte kreischend das Weite, stolperte aber dabei über den Mops, welcher vor Schreck und Fett nicht bellen konnte, sondern so unbeschreiblich gackernde Töne hervorzwang, als sei er in eine Henne verwandelt worden und stehe im Begriffe, Eier zu legen. Da Heinrich die an den Ketten hängenden Gewichte in der Tasche hatte, so zog er auch
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