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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
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dass du dich bei ihnen herumtreibst. Ich will dich nicht in ihrer Nähe haben!«
    Immerhin schoss er nicht. Mit einem Mal fand sie es schwer vorstellbar, dass er stumm in seinem Bett sitzen könnte, den Blick leer und der ganze Zorn versiegt. Am alten Conway würde sich vermutlich selbst die Schwarze Banshee die Zähne ausbeißen.
    Wenn er dich getroffen hätte, dann hätte ich ihn umgebracht, hörte sie Oliver sagen. Sie schloss die Augen und lauschte der Erinnerung nach. Wenn sie Erinnerungen willentlich wachrief, blieben sie oft blass und seltsam fremd, als wäre es etwas, das jemand anderes erlebt hatte. Erinnerungen, die von selbst zu ihr kamen, waren schmerzhaft lebendig, wie Wesen, die sie kurz besuchten, wann es ihnen gefiel. Und dann kam eine andere Erinnerung hinterher.
    »Ich muss los«, sagte Oliver, der neben ihr auf dem Zaun saß und mit den langen Beinen schaukelte. Es war schon fast zehn Uhr abends, aber noch hell, und Conways Kühe leuchteten rötlich auf dem satten Grün der Sommerwiese. Im Winter wäre längst Kelpie-Zeit gewesen, und Leslie hatte vorhin, als sie Oliver kommen sah, rasch den Eimer mit Fleisch in einem nahen Gebüsch versteckt. Zum Glück war es nicht so warm, dass es zu stinken anfing, und bis der Kelpie kam, war noch Zeit.
    »Oder möchtest du, dass ich noch bleibe?«, fragte Oliver.
    Überrascht schaute sie auf. »Was?«
    Sein blasses Gesicht lief dunkelrot an. »Na ja. Ich meine – falls du noch ein bisschen Gesellschaft haben möchtest.«
    »Ja«, sagte sie. »Ich meine, also, wenn du bleiben möchtest, dann bleib doch. Ich habe nichts dagegen.« Sie zuckte mit den Schultern, aber ihre Ohren brannten, und unvermittelt wurde ihr ein bisschen schwindelig.
    »Okay«, sagte er. »Dann bleibe ich noch ein bisschen.«
    »Okay.«
    »Gut.«
    Sie lächelten einander an und schauten schnell weg. Das Einzige, was es anzusehen gab, waren die Kühe und der Loch Dall.
    »Linus ist diesen Sommer ganz schön dick geworden«, sagte Leslie. Ihre Lippen waren taub. »Und Mable bekommt bald ein Kälbchen. Siehst du, wie rund sie ist? Dabei ist sie eigentlich schon zu alt dafür. Es wird wohl ihr letztes.«
    »Schade.«
    »Ja.«
    »Dass es ihr letztes wird, meine ich. Nette Kuh.«
    Leslie nickte. Sie starrten die friedlich grasende Mable an, die sich davon nicht stören ließ.
    »Warum ist Richard eigentlich nicht mitgekommen?«, fragte Leslie.
    Oliver schnaubte. »Ach, der«, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung.
    »Schon gut.«
    »Wir haben uns gestritten.«
    »Worüber?«
    Ihre Blicke begegneten sich. Sie sah in seine hellen Augen und spürte ihr Herz klopfen. Er war so schlaksig, so spöttisch und so ungeheuer nah, und außer ihnen war kein Mensch hier. Sie war noch nie so lange mit ihm allein gewesen.
    »Vermisst du ihn?«, fragte er und hob die Brauen.
    »Nein.«
    »Gut.«
    »Und du?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Schon.«
    »Ihr seid gut befreundet, oder?«
    Er nickte nur. »Jetzt gerade«, sagte er dann, »vermisse ich ihn aber nicht.«
    Sie starrte geradeaus, obwohl sie spürte, dass er sie anschaute.
    »Du bist viel allein, oder?«, fragte er nach einer Weile.
    »Ja.«
    »Macht es dir was aus?«
    Mable schüttelte träge den Kopf, tat ein paar Schritte und versenkte den Kopf wieder im Gras. Leslie ließ sie nicht aus den Augen. »Manchmal«, sagte sie leise. »Meistens aber nicht. Meistens bin ich gern allein.«
    »Und jetzt gerade? Wärst du jetzt gerade lieber allein?«
    Sie war rot, er war rot, sie schaute weg, er schaute sie an und suchte ihren Blick. »Ich mag es, dass du gern allein bist«, hörte sie ihn sagen. »Das mag ich wirklich an dir.«
    Sie gab sich einen Ruck, hob den Kopf und sah ihn an. »Und was magst du noch an mir?«
    Er wurde noch röter, aber er antwortete mit ganz normaler Stimme: »Deine Ohren zum Beispiel.«
    »Leck mich.«
    »Nein, wirklich«, beteuerte er. »Die sind toll! Sie sehen lustig aus und …«
    »Findest du mich hübsch?«
    Die Frage traf sie beide gleichermaßen unerwartet. Wie erstarrt vor Schreck saß Leslie da und klammerte sich am Zaun fest. Oliver starrte sie an, als hätte sie auf einmal fließend Japanisch gesprochen. Schon gut, wollte sie murmeln, vergiss es. Aber sie tat es nicht. Stattdessen starrte sie zurück und wartete auf seine Antwort, obwohl sie ja wusste, wie sie ausfallen musste, wenn er ehrlich war.
    »Schön finde ich dich«, sagte er schlicht.
    Sie lachte hell auf, wie befreit. »Du Lügner! Oh, ich …«
    Er griff

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