Die Feen - Hallmann, M: Feen
Körper.«
»Richtig«, lobte er. »Sie verstehen schnell.«
»Aber … wie ist das möglich? Ich habe noch nie gehört …«
Mitleidig betrachtete er sie. Sie verstand. Dass sie nämlich nichts verstand. Nichts von der Feenwelt, die ihr immer als ihr eigentliches Zuhause erschienen war. Sie wusste viel weniger, als sie geglaubt hatte. Es war also möglich, die Körper zu tauschen. Einfach so.
»Natürlich nicht einfach so«, rügte er. »Es wäre nicht möglich, sie in einen gewöhnlichen Körper zu stecken. Und einen sterblichen Geist in einen Leib zu stecken, der längst zu Staub zerfallen sein müsste, das wäre ebenso wenig machbar. Aber in Ihrem Fall, dem Ihren und dem Ihrer Schwester, meine liebe Miss Leslie, liegen die Verhältnisse ja nun einmal anders.«
Sie starrte ihn an. Sein roter Bart, die schwarzen Augen, sein ruhiger Blick. Als habe er seit langer Zeit darauf gewartet, ihr diese Möglichkeit zu offenbaren.
»Das habe ich tatsächlich«, sagte er. »Aber mich hindert ein Passus im Vertrag mit Ihrem Vater, solche Möglichkeiten zu erörtern, solange mich niemand fragt. Tatsächlich warte ich bereits seit einiger Zeit darauf, dass Sie sich mir anvertrauen, Miss Leslie. Ich habe Sie ja beobachtet. Ich sehe, wie Ihnen Glenshee am Herzen liegt. Im gleichen fast unvernünftigen Übermaß wie uns Kerrigans, wenn ich das so ausdrücken darf. Sie sind ein Kind Glenshees, wie wir es sind. Ein Teil des Tals. Untrennbar verbunden mit seinem Geschick. Ihr Vater? Er ist fort.« Geringschätzig verzog er die ausdrucksvollen Züge. »Ihr Bruder ist von persönlichem Ehrgeiz getrieben. Und Ihre Schwester … nun, trotz all der Zeit ist sie ein Kind geblieben. Und sie versteht nur sehr begrenzt die Bedingungen der Menschenwelt, die zu verstehen für das Überleben Glenshees jedoch leider bitter nötig ist. Sie hingegen, Miss Leslie – Sie sind ein Kind beider Welten. Sie verstehen. Sie verstehen sowohl die Bedingungen dort draußen – hier – als auch die Wichtigkeit des Tals. Seiner Seele. Sie betrachten es nicht nur als Ressource. Sie wissen, dass es lebt. Dass es ein Wesen hat. Dass man es hegen und pflegen muss, damit ihm kein Schaden zustößt.« Feierlich nahm er den Hut ab und blickte sie treuherzig an. Ihr Herz schlug so wild, dass sie glaubte, hin und wieder kurze Aussetzer zu spüren.
»Es wäre eine Lösung für uns alle, Miss Leslie, wenn Sie uns die Ehre antäten, den Platz mit Ihrer Schwester zu tauschen. Eine Lösung, die weit darüber hinausgeht, die Seele Ihrer Schwester zu retten. Es wäre eine Lösung, um das Tal zu erhalten, das wunderschöne und einzigartige Tal von Glenshee, das Sie als Einzige ebenso sehr lieben wie wir Kerrigans.« Er zögerte. »Und ich könnte Ihre Hilfe wirklich gebrauchen.« Das Eingeständnis kam ihm offensichtlich nur schwer über die Lippen.
»Sie?«
»Ich bin der Letzte.« Er lächelte. »Sie sitzen hier, Miss Leslie, und trinken Tee mit dem letzten der Kerrigans in Glenshee.«
»Aber«, sagte sie verwirrt, »Sie sind doch … wo sind denn dann die anderen?«
»Fort.« Er setzte seinen Hut wieder auf und klopfte einmal kräftig darauf. »In aller Welt. Der Letzte ist im vergangenen Abschlussjahr fortgegangen, mit einem der Absolventen aus dem erlauchten Kreis, den Sie den Zirkel nennen. Oh, zu Recht, muss ich anfügen. Ein ausgesprochen vielversprechender junger Mann. Ihm einen Pixie oder etwas vergleichbar Albernes an die Seite zu stellen, wäre einer Beleidigung gleichgekommen. Nichtsdestotrotz – ich bin der Letzte aus unserem Clan, der noch hier in Glenshee ist. Nun schauen Sie doch nicht so erschrocken drein.« Spöttisch hob er die dichten Brauen.
»Ich wusste nicht«, sagte sie, »dass Sie … dass Sie …«
»Dass unsere Zahl begrenzt ist? Ich weiß. Auch Ihr Vater hat nie darüber nachgedacht. Offenbar scheint Ihre Familie der Ansicht zu sein, dass wir Kerrigans an den Bäumen wachsen und immer, wenn einer von uns fortgeht, einfach einen neuen pflücken.«
Leslie war wie betäubt. »Das heißt …«
»Das heißt, über kurz oder lang wird es Probleme an der Schule geben.« Er nickte.
»Weiß Vater das?«
»Er ist zu beschäftigt«, erwiderte der Kerrigan und winkte ab. »Viel zu beschäftigt. Wir arbeiten auch an einer Lösung. Aber in der sich anbahnenden Krise ist es in der Tat … unhaltbar, wenn Ihre Schwester im Traum als Schwarze Banshee die Schüler des Internats hetzt. Oder wenn sie versucht, Schüler ins Moor zu
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