Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hallmann
Vom Netzwerk:
unfreiwilligen Blick auf das feiste Gesicht noch nicht dagewesen waren … es ekelte ihn, Cooper auch nur anzuschauen. Also vermied er es und lauschte stattdessen auf seltsame Geräusche, die durch die Stallgasse wehen mochten, aber das seltsame akustische Phänomen vom ersten Tag hatte sich bisher nicht wiederholt und tat es auch heute nicht; der Stalldienst verlief vollkommen ereignislos.
    Weil er das Bedürfnis hatte, ein bisschen allein zu sein, lief er nach dem Stalldienst noch eine kleine Runde. Zum Laufen war er bisher kaum gekommen. Überhaupt war er zu nicht viel gekommen, fand er, tagsüber war zu viel Trubel, es war immer irgendwas zu tun, und abends lernte er oder hing mit Oliver, Richard und Callahan herum, als wäre es schon immer so gewesen. Ihm war, als sei er seit Monaten hier, nicht erst seit knapp zwei Wochen. Von kurzen Wegen abgesehen, war er nur beim Einschlafen mehr oder weniger allein, und er hatte angefangen, diese paar Minuten sehr zu schätzen und sich darauf zu freuen. Die Einsamkeit, die er am ersten Tag empfunden hatte, war jedenfalls verflogen. Sicher waren manche Bereiche der Burg menschenleer, aber die Gänge und Räume, durch die er tagein, tagaus trottete, lief oder hetzte, waren von Schülern, Lehrern und Stimmengesumm erfüllt, dass es regelrecht brodelte.
    Als er an den mittlerweile leeren Busparkplätzen vorbeitrabte und in die Dunkelheit eintauchte, in die sich wie ein schwach leuchtender Speer der laternengesäumte Weg hineinbohrte, wurde ihm vor Erleichterung ganz warm und wohlig, so kalt ihm der Wind auch um die Ohren pfiff. Allein sein – es war, als würde er nur dann spüren, wo er anfing und wo er aufhörte. Oder vielmehr: Wenn er allein war, dann war es nicht wichtig. Er konnte sich ganz in Ruhe so ausbreiten, wie es ihm gefiel, konnte traurig oder wütend oder gar nicht dreinschauen, ohne dass jemand fragte, weshalb. Die ganze Welt, dachte er, nicht ganz in der Lage, es in Worte zu fassen, die Welt war dann ganz anders, viel weiter und weicher und zugleich klarer. Er verlor sich darin. Das gefiel ihm.
    Erik gefiel das nicht, der war nicht gern allein und war es mit seinen drei Geschwistern auch selten, aber Benny hatte die allermeisten guten Momente seines Lebens gehabt, wenn er allein war. Vielleicht, dachte er, war das irgendwie krankhaft – vielleicht hatte das, was er empfand, einen Namen und konnte behandelt werden. Dann dachte er daran, dass er dringend Erik schreiben sollte, ehe auf einmal nicht nur zwei Wochen rum waren, sondern ein Monat oder sogar zwei oder drei. Im Aufschieben von solchen Vorhaben war er gut.
    Der abendliche Himmel war zwar noch von einem klaren Grau, aber es war längst dunkel, die Schatten waren tief und seltsam, und der See lag da wie eine riesige Ölpfütze, die sich in der Schwärze verlor. Es war so kalt, dass er sich wunderte, dass sein Atem keine weißen Wolken vor seinem Gesicht bildete. Andererseits tat er das vielleicht, und Benny konnte es nur nicht sehen.
    Er hatte vor, einmal zum Dorf zu laufen, über den Marktplatz und dann im Bogen wieder zurück, am Ufer des Sees. Irgendwann in den nächsten Tagen wollte er ausprobieren, ob man den See umrunden konnte und wie lange man dafür brauchte. Nur war ihm nicht ganz klar, wann er Zeit dafür finden sollte. Am Sonntag war am wenigsten zu tun, aber selbst da hatte er einige Stunden, die Spanisch- AG und Lauftraining – alle anderen Tage kamen ihm so vollgestopft vor, dass er es beeindruckend fand, wenn er es zwischendurch schaffte, aufs Klo zu gehen. Vielleicht Sonntag direkt nach dem Frühstück.
    An der Brücke hielt er an, um ein paar Dehnübungen zu machen. Ab hier war der Weg schlechter beleuchtet und bog sich in einer sanften, etwas ungleichmäßigen Kurve. Unter den dicken Holzbohlen der Brücke schwappte sachte das ölig schwarze Wasser, er hörte, wie die winzigen Wellen gluckernd ans Ufer schlugen. Der Wind schlug plötzlich um – eben hatte Benny ihn noch im Rücken gehabt, jetzt blies er ihm auf einmal so kräftig ins Gesicht, dass ihm die Luft wegblieb.
    Benny, der eine Vorliebe für ungestümes Wetter hatte, lachte auf, hielt mit geschlossenen Augen das Gesicht in den Wind und legte dann einen Fuß aufs Brückengeländer, um das Bein ein wenig zu dehnen. Zu früh, noch war er kaum gelaufen, aber die Brücke war für eine längere Wegstrecke die einzige gute Gelegenheit für Dehnübungen, redete er sich ein, jedenfalls die einzige gut beleuchtete. Dass er im Dunkeln

Weitere Kostenlose Bücher