Die Feen - Hallmann, M: Feen
Freigabe. Achselzuckend erteilte Callahan sie, und es ging los.
Es war schrecklich mit anzusehen. Olivers Gesicht war reglos und verschlossen, er trieb Richard über die ganze Bahn, überließ ihm dann mit offenkundiger Absicht die Initiative und wich quälend langsam und kontrolliert zurück, während er Richards Angriffe so mühelos abwehrte, als hätte er es mit denen eines kleinen Kindes zu tun.
»Oliver ist … gut, oder?«, fragte Benny leise.
Callahan nickte.
»Sehr gut, oder?«
»Sehr gut«, bestätigte Callahan. »Kaum zu fassen, dass so ein Sprung in sechs Wochen möglich ist.«
»Sind die beiden sonst gleich gut gewesen?«
»Ähnlich. Oliver war immer ein bisschen besser. Aber nicht so.«
Olivers Gesicht veränderte sich nicht, das von Richard wurde immer röter. Seine Haltung verlor sich, mehrfach entkam er nur mit knapper Not, parierte Olivers Florett so spät, dass Benny fast »Punkt!« geschrien hätte, um es endlich zu beenden. Bei dem verzweifelten Versuch, endlich Boden zu gewinnen, verausgabte sich Richard zusehends. Seine Bewegungen wurden langsamer. Es war, als lasse Oliver ihn ausbluten. Und dann versetzte er ihm einen Hieb auf den Arm.
»Stopp!«, rief Callahan.
Die beiden trennten sich voneinander. Erleichtert wollte Benny schon aufatmen.
»Kontakt, kein Punkt«, sagte Callahan mit zusammengekniffenen Augen. »Aufstellung.«
Ohne einander aus den Augen zu lassen, nahmen die beiden Aufstellung. Callahan gab frei. Als hätte es keine Unterbrechung gegeben, ging es weiter. Richards Keuchen erfüllte die Halle.
»Warum macht er das?«, wollte Benny wissen.
Stumm schüttelte Callahan den Kopf.
»Er führt ihn vor«, stellte Benny fest. »Das ist kein Kampf, oder irre ich mich? Er führt ihn nur noch vor. Warum?«
»Weil es Oliver ist«, gab Callahan zurück.
Ein Beintreffer. Richard gab ein Geräusch von sich wie ein überraschter Hund, der getreten wurde. Unterbrechung, Aufstellung, weiter. Benny bohrte die Fingernägel in die Daumenballen, so fest, dass seine Hände taub wurden. Er spürte nichts. Am liebsten hätte er Oliver erschlagen. Aber er rührte sich nicht, sagte nichts, stand nur stumm da und schaute zu.
Vermutlich dauerte es objektiv gesehen nicht lange, aber die Zeit dehnte sich endlos, Richard wurde immer langsamer. Dann taumelte er. Diesmal war es echt. Oliver schlug seine Waffe beiseite. Und dann hieb er ihm das Florett über die Wange. Nur ganz leicht, es konnte kaum zu spüren sein. Richard erstarrte. Benny hörte das Geräusch, das er von sich gab, halb Ächzen, halb Stöhnen.
»Abbruch«, hallte Callahans Stimme hart durch die Halle. Niemand rührte sich. Ganz langsam hob Richard die Hand zu seiner Wange.
»Dann braucht ihr uns ja nicht mehr«, sagte Callahan kalt, drehte sich um und ging. Weder Richard noch Oliver reagierten auf ihn. Nach kurzem Zögern folgte Benny Callahan hinaus. Er glaubte seine Rippen unter den heftigen Herzschlägen vibrieren zu spüren. Ihm war übel.
Im Gang vor den Umkleiden holte er Callahan ein, der offenbar etwas langsamer ging, um auf ihn zu warten.
»Können wir sie so allein lassen?«, fragte Benny.
»Ist völlig egal«, erwiderte Callahan knapp. »Mit Publikum wird es bestimmt nicht besser.«
»Was zum Teufel …«
»Über Richard Dickenson und Oliver Hegeling musst du eins wissen«, erwiderte Callahan. Im schwachen Licht sahen seine Augen schwarz aus. »Wenn sie sich zoffen wollen, dann tun sie es. Du kannst nichts dagegen machen. Du kannst nur aus dem Weg gehen, das ist alles, und es ist das einzig Vernünftige.«
»Machen sie das öfter?«
»Pro Jahr ungefähr zweimal.«
»Oliver ist …« Benny verzog angewidert das Gesicht.
»Richard ist kein Unschuldslamm«, erwiderte Callahan ungeduldig. »Er ist kein Stück besser. Letztes Jahr hätte ich ihn am liebsten in einem Fass mit meiner eigenen Kotze eingelegt, ein Jahrhundert dringelassen und dann an die Schweine verfüttert.«
Überrascht starrte Benny ihn an. So eine Heftigkeit hätte er von jedem anderen erwartet, aber sicher nicht vom ruhigen Patrick Callahan mit dem stillen, ironischen Lächeln. »Wieso, was hat er …«
»Ist egal. Glaub mir einfach, sie nehmen sich nichts. Diesmal ist es Oliver. Nächstes Mal ist es wieder Richard. In zwei Wochen sind sie wieder ein Herz und eine Seele, dass man sie kaum voneinander unterscheiden kann, und wissen nicht, wovon du redest, wenn du sie fragst, ob sie sich wieder eingekriegt haben. Und bis dahin können wir halt
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