Die Feenflöte
Feenflöte.
Catherine war sprachlos und wußte lange nichts zu sagen. Sean blickte sehr nachdenklich aus dem Fenster in die dunkle Nacht hinaus. Jedes Mal wenn er sich die Ereignisse so deutlich vor Augen führte, wühlten sie ihn auf.
"Nun?" wandte er sich wieder Catherine zu. "Was denkst du jetzt? Sag's mir ruhig ganz ehrlich, wenn du mir die Geschichte nicht abnimmst. Ich werde es dir bestimmt nicht verübeln. "
Sie schüttelte behutsam den Kopf.
"Nein, Sean, da brauchst du keine Sorge haben. Es ist zwar wirklich eine 'unglaubliche' Geschichte, aber ich glaube dir. Etwas in mir fühlt es, weiß es einfach, daß sie wahr ist."
"Puuhhh!" seufzte er. "Da bin ich aber erleichtert! Zumindest, was das angeht. Wie steht es mit dem Dieb Sean Dennehy? Verachtest du mich jetzt?"
"Wie kannst du so etwas glauben?!" fragte Catherine entrüstet.
"Klar, du hast diese wundervolle Flöte gestohlen. Das ist ein juristischer Tatbestand. Was hättest du denn tun sollen, später, als du es eigentlich bereut hast? Schließlich konntest du nicht einfach hingehen und sie zurückbringen."
Sean wiegte seinen Kopf bedächtig hin und her.
"Das habe ich mir einige Zeit auch vorgemacht. Das stimmt aber nicht. Wenn ich mit dieser Flöte an den Platz zurückgekehrt wäre, wo die Fee mich abgeholt hat, wäre sie vielleicht wiedergekommen."
"Wenn, vielleicht, das ist doch keine Basis."
"Ich hätte es immerhin versuchen können. Doch dazu fehlte mir der Mut. Mir ging es nicht anders wie jedem anderen, der etwas angestellt hat: ich hatte Angst vor der Strafe."
"Das ist in diesem Falle durchaus berechtigt. Niemand kann sagen, welche Strafe dich ereilt hätte. Die Feen hätten sicher nicht die Gesetze der Menschen angewandt. Wer weiß, was mit dir passiert wäre."
"Genau davor hatte ich Angst." nickte Sean. "Am allergrößten war meine Furcht, sie würden mir das Talent zum Flötenspielen wieder nehmen. Oder gar, noch schlimmer, überhaupt die Fähigkeit zu spielen. Wenn sie die Macht hatten, mir dieses Talent zu geben, haben sie vermutlich auch die Fähigkeit, das Gegenteil zu bewirken. Und was wäre dann aus mir geworden...?"
"Siehst du, es gab gute Gründe für dein Verhalten."
"Es ist lieb, daß du mein Verhalten in Schutz nimmst. Ich wünschte, die Feen wären ebenso nachsichtig."
Der Kellner unterbrach ihr Gespräch und fragte nach weiteren Wünschen, bot Cafe oder Espresso an, und empfahl einen provencalischen
Marc
als Digestif. Da sie jedoch schon die Flasche Cote-du-Rhone fast geleert hatten, verschoben sie den Digestif auf ihren nächsten Besuch.
"Nachdem ich jetzt so unglaublich weit ausholen mußte mit meiner alten Geschichte," fuhr Sean fort, "komme ich jetzt endlich auf den Punkt."
"Nanu? Ich dachte, es ginge um dein Geheimnis."
"Heute Nachmittag habe ich bei Madame Lanourdie eine ganz unglaubliche Entdeckung gemacht. Es geht um das Buch."
"Was ist damit?"
"Es ist ein Feenbuch."
"Woher willst du das wissen?"
"Glaub' mir, es ist ein Feenbuch. Die uralte Schrift paßt dazu, und vor allen Dingen die Symbole."
"Rätselhafte Symbole gibt es doch in vielen alten Büchern."
"Die sind aber nicht identisch mit denen auf meiner Flöte."
Catherine schaute ihn mit halb geöffnetem Mund fassungslos an.
"Bist du dir auch ganz sicher?" fragte sie langsam und mit leiser Stimme.
"Hmmm." nickte er nur.
Eine Flut von Gedanken, wüsten Spekulationen, abenteuerlichen Mutmaßungen rasten ihr durch den Sinn. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sean ließ ihr Zeit, sich zu sammeln und nutzte die Gelegenheit, seine Überlegungen vom Nachmittag abermals zu durchdenken.
Unvermittelt runzelte Catherine die Stirn und blickte ihn finster an.
"Van Loenhout!"
"Wo?" fragte Sean und drehte sich um.
"Nein, nicht hier. Er hat das Buch gesehen und auffällig intensiv studiert. Es muß ihm genauso ergangen sein wie dir. Er hat es erkannt."
"Wie sollte er?"
"Das weiß ich nicht."
"Ich kann mir nicht vorstellen, woher er Symbole oder Schriftzeichen der Feen kennen sollte." sagte Sean.
"Das würde auch von dir niemand annehmen." wandte sie ein.
"Klingt überzeugend. Bleibt die Frage, woher er die Kenntnis hat. Erst recht dann, wenn er so einer ist, wie du sagst."
Catherine schüttelte ratlos den Kopf.
"Ich habe keine blasse Ahnung. Andererseits traue ich dem Mistkerl alles zu. Jedenfalls hat er etwas bemerkt. Und wenn der Typ erst mal seine Finger im Spiel hat..."
"Darüber war ich mir nicht im klaren." sagte Sean sorgenvoll. "Das
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