Die Feinde des Imperators
Gedanken und Erinnerungen. Ich
wusste, dass ich sie dabei besser nicht unterbrechen sollte.
»Jede Menge Frauen aus meinen Kreisen interessieren sich
für Astrologie. Ich selber interessiere mich auch dafür.
Aber einige sind ganz besessen davon und konsultieren ständig
irgendwelche vermeintlichen Experten bezüglich der
belanglosesten Aspekte ihres Lebens. Ich halte die meisten dieser
Astrologen für Scharlatane, aber einige sind wirkliche
Gelehrte. Und von wem sollte man eher erwarten, dass er ein
wirklicher Gelehrter ist, als von jemandem, der im Museion von
Alexandria seine Studien betreibt?«
»Aber Demades
war kein überzeugter Anhänger der Astrologie, und
trotzdem war er bei diversen der von Servilia und ihrem Anhang
besuchten Zusammenkünfte im Hause Kleopatras zugegen. Hast du
irgendeine Idee, was er da zu suchen gehabt haben
könnte?«
»Noch nicht,
aber ich stelle gerade fest, dass mein letzter Besuch bei Servilia
eine Ewigkeit her ist. Jetzt, da sich die Flamme zwischen ihr und Caesar neu
zu entzünden scheint - was läge da näher als ein
Besuch?«
»Eine exzellente
Idee. Was weißt du eigentlich über Brutus? Ich kenne ihn
nur flüchtig. Ich sehe ihn im Senat, und er läuft mir
gelegentlich bei irgendwelchen abendlichen Gelagen über den
Weg, aber er hat nie den Eindruck auf mich gemacht, als ob ich
seine Freundschaft suchen sollte.«
»Weil er dir zu
philosophisch ist?«
»Zum Teil sicher
auch das. Ich habe gehört, dass er ein bisschen geldgierig
sein soll. Was ja nicht gerade eine sehr patrizische Eigenschaft
ist, nicht wahr?«
»Ich weiß
nur, was ich gehört habe. Vor einigen Jahren soll er der Insel
Zypern eine gewaltige Geldsumme geliehen haben, damit die Leute
dort ihre Steuerschuld begleichen konnten; sie konnten das Geld
nicht fristgemäß zurückzahlen.«
»Was bei den
Zinsen wenig überraschend war. Wie viel war es noch mal?
Zweihundert Prozent oder etwas in der
Größenordnung?«
»Ich glaube, so
hoch war der Zinssatz nicht, aber trotzdem ziemlich
gepfeffert.«
»Wie ich zudem
gehört habe, hat er sich zum Eintreiben seiner Schulden der
römischen Armee bedient. So etwas nenne ich Missbrauch
öffentlicher Ressourcen.«
»Was veranlasst
dich überhaupt, dir darüber Gedanken zu machen?«,
fragte sie.
»Ich versuche
nur, mir vorzustellen, mit was für einer Art Mensch wir es zu
tun bekämen, wenn er Caesars Erbe würde. Aber ja, statte
Servilia auf jeden Fall einen Besuch ab. Achte darauf, dass du
alles in Erfahrung bringst, was sie über die Astronomen
weiß, nicht nur über Polasser und die Astrologen,
sondern über alle.«
»Genau das werde
ich tun«, erklärte sie. »Und Callista werde ich
ebenfalls einen Besuch abstatten.«
Ich hatte gewusst,
dass das kommen würde.
Am nächsten Tag
ging ich auf die Tiberinsel und suchte Sosigenes. Ich fand ihn in
seinem Arbeitszimmer, wo er auf Papyrus mit Zirkeln und
Instrumenten, die so geheimnisvoll aussahen, dass ich ihn lieber
nicht fragte, worum es sich handelte, irgendwelche Berechnungen
anstellte.
»Mein alter
Freund«, begrüßte ich ihn, »wir müssen
reden.«
»Unbedingt«,
pflichtete er mir bei. Wir traten hinaus auf die kleine Terrasse,
die sich vor seinem Arbeitszimmer befand, und er schickte seine
Bediensteten los, um uns eine kleine Stärkung zu holen. Von
unserem Platz aus hatten wir einen herrlichen Blick auf die
unmittelbar hinter dem Forum Boarium gelegene niedrige, gewaltige
Anlage des Circus Maximus und den über ihm thronenden
prachtvollen Tempel der Ceres. Als die Stärkung kam, nippten
wir an unseren Bechern und knabberten ein wenig, und dann kam ich
auf mein eigentliches Anliegen zu sprechen.
»Sosigenes, wie
ich gehört habe, erfreuen sich einige deiner Astronomen unter
den Damen der höheren Kreise Roms größter
Beliebtheit.«
Er seufzte. »Du
weißt ja bereits, was ich von der Astrologie halte. Leider
teilen viel zu wenige Römer meine Skepsis. Und für die
Damen, von denen du sprichst, trifft das in ganz besonderem
Maße zu.«
»Das musste ich
auch erfahren. Die prominentesten unter ihnen sind inzwischen gute
Freundinnen deiner
Königin.«
Er nickte. »Ich
habe es nie geschafft, die Königin zu überzeugen, dass
sie nur ihre Zeit verschwendet. Aber ich denke, das Ganze ist
schlimmstenfalls harmlos.«
»Ganz und gar
nicht«, erwiderte ich.
»Wie bitte? Was
willst du denn damit sagen?« Wie so viele große
Gelehrte lebte Sosigenes in einer anderen Welt als wir, einer Welt
des Wissens
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