Die Festung der Titanen
erzähle ihr nichts von irgendwelchen Heldentaten, die Ragnar wieder einmal haben bluten lassen, sie mag ihren Vater lieber hier und lachend als blutend auf irgendeinem Schlachtfeld!« Sie tat einen Schritt und wirbelte wieder zu mir herum. »Das gilt für alle«, wies sie mich an. »Ganz besonders für Helrike, ich will nicht, dass sie noch mehr Flausen in den Kopf bekommt als bereits geschehen, stell dir vor, sie hat sich selbst ein Schwert geschmiedet, das ist alles Ragnars Schuld … o Götter«, stöhnte sie und ließ sich auf einen Stuhl fallen, um ihr Gesicht in ihren Händen zu vergraben, während Tränen ihr die Wangen herunterliefen. »Ich schwöre, ich lasse ihn nie wieder gehen!«
Viel weiter kam sie nicht, denn das Getrampel auf den Stufen wurde lauter, dann ergoss sich eine Woge blonder blauäugiger Weiblichkeit in die Stube, der ich nicht viel weniger hilflos ausgeliefert war als Ragnar selbst. Jedes dieser wundersamen Wesen hatte ich als Säugling im Arm gehalten, ihre Ankunft in der Welt heftig und feucht mit Ragnar gefeiert. Ich war wehrlos gegen sie, sie wussten es, und jede von ihnen nutzte es auch weidlich aus.
Doch diesmal war es anders. Es gab da jemanden, der sie weitaus mehr begeisterte.
»Havald, ist das die Königin?
»Sie ist dünner, als ich dachte«, kam es von Helrike, der Ältesten, die letztes Jahr schon im Armdrücken gegen einen Gesellen aus Lassahndaar gewonnen hatte und nun fast schon meine Größe zu erreichen drohte.
»Sie ist nicht dünn, sie ist drahtig. Schau, sie hat Muskeln.«
»Die sie nicht braucht, sie besitzt Magie!«
»Und weißes Haar.«
»Warum ist es so kurz?«
»Ist es wahr, dass sie einen Greifen hat?«
»Ist er hier? In der Scheune?«
»Vielleicht frisst er Fered, der war gestern gemein zu mir.«
»Roderika!«, rief Esire strafend. »So etwas sagt man nicht!«
»Es ist wahr, er war gemein zu mir!«
»Wo ist Steinherz? Stimmt es, dass er wie Havalds Schwert auch leuchten kann?«
»Hast du mir etwas mitgebracht?«, erkundigte sich die Jüngste, die auf Leandras Schoß kletterte, bevor die Königin der Südlande auch nur wusste, wie ihr geschah.
»Hrelde«, rief ich verzweifelt über den Trubel zu Esire hin. »Bringe uns zu Hrelde!«
»Ich bin Leandra«, sagte meine Königin zu Hrelde, als sie sich neben das Bett kniete. »Es ist schön, dich zu sehen.«
»Du bist schön«, stellte Hrelde fest und sah mich mit weiten Augen an. »Kommt sie, weil ich sterben muss?«
»Niemand muss hier sterben!«, ermahnte Esire sie hastig und eilte an das Bett ihrer Tochter. »Sie kommt, weil dein Vater, Havald und sie Freunde sind!«
Ich schob die beiden Seras sanft zur Seite, um auch Platz an Hreldes Bett zu haben. Ihr Anblick erschreckte mich, so bleich und blass, wie sie da lag, und der fiebrige Glanz ihrer blauen Augen.
»Ich war dumm«, gestand sie uns mühsam. »Mutter hat gerufen, aber ich wollte noch den Hund hereinholen, da kamen auch schon die Pferde.«
»Das macht nichts«, brachte Esire mühsam hervor. »Nur tue es nicht noch einmal.«
»Havald«, sagte Leandra leise, die genau wie Esire und ich wusste, dass Hrelde fast schon in Soltars Halle stand. »Ich hole Gerlon, wir brauchen ihn!«
»Warte«, bat ich sie. Vorsichtig hob ich die Decke an, sah das Bein, die blutigen Verbände und versuchte, das Entsetzen nicht zu zeigen, als uns der Geruch von Fieber und Eiter entgegenschlug.
Ich konnte die Knochen sehen, die Splitter, das zerrissene Fleisch, fühlen, wie sich das Wundgift bereits in ihrem jungen Körper seine Wege suchte.
Ich lächelte Hrelde beruhigend zu. »Du kannst doch ein Geheimnis wahren?«
»Besser als Vater«, sagte sie stolz. »Ich trinke nicht. Ich bin zu jung dafür«, fügte sie gewichtig hinzu.
Ich lachte wider Willen auf und sah dann zu Esire und Leandra hin. »Niemand soll davon erfahren«, bat ich
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