Die Festung
Laden verkaufe und er
sich etwas in Mostar einrichtet.«
O väterliche Nöte!
»Dann verkaufe doch«, sagte Osman
resolut.
»Ja, ich weiß nicht, das ist nicht
so leicht. Wenn man verkauft, ist alles billig, wenn man kauft, ist alles
teuer. Und irgendwie tut es mir auch leid. Wenn ich hereinkomme und mich
hinsetze, ist mir, als hätte ich Arbeit.«
Osman hatte eine Idee.
»Und warum sitzt du in diesem leeren
Laden und machst dir vor, daß du Arbeit hättest? Warum arbeitest du nicht
wirklich?«
»Man wird alt, mein Osman. Was könnte
ich schon arbeiten?«
»Kennst du Šehagas Getreidespeicher?
Könntest du Buch führen über die Säcke, die du in Empfang nimmst? Traust du dir
das zu?«
»Wieso denn nicht?«
»Dann besorge dir ein Kohlenbecken
und komm dir die Schlüssel holen. Dedo verläßt uns, er macht einen Laden auf.«
Mahmut schluckte. Sein Adamsapfel
glitt langsam den mageren Hals hinab, er schaute mich fragend an, ob dies ein
Scherz sei, dann ging er auf Osman zu und blieb völlig verwirrt stehen.
Würde er die Augen verdrehen? Die Arme
schwenken? In Ohnmacht fallen?
Aber nein. Mahmut hielt sich tapfer.
Er war aufgewühlt, aber standhaft.
Auch ich war erregt. Was ging in
Osman vor?
»Wenn du das ernst meinst«, sagte
Mahmut zitternd, aber bemüht, normal auszusehen, »wenn du das wirklich ernst
meinst ... Also, ich bin einverstanden, natürlich. Wie sollte ich auch nicht!
Wenn du es ernst meinst ... Und ich weiß nicht, wie ich dir danken soll!«
»Ich mache keine Witze, und du
brauchst dich nicht zu bedanken. Schließlich mache ich dich nicht zum Mufti.
Aber diesen Laden solltest du verkaufen.«
»Ja. Ich rede mit meiner Frau. Ich
verkaufe. Sofort! Und das Haus? Soll ich das auch verkaufen?«
Er hatte den Kopf verloren!
»Warum das Haus?«
»Es ist zu groß für uns. Ich würde
ein kleineres nehmen.«
»Und wenn dein Sohn mit seiner Frau kommt? Dann wäre ein
kleines Haus zu eng für euch.«
»Da hast du auch wieder recht.«
Später gingen wir schweigend durch
die Ladenstraße. Osman wiegte den Kopf, als wäre er noch immer erstaunt und
ärgerlich. Ich sagte ihm, was ich dachte: »Du hast mich überrascht. Das hätte
ich nicht von dir geglaubt.«
»Dieser Esel hat mich geärgert.«
»Ich hatte
schon Angst, daß du ihn verprügelst.«
»Das hätte
ich fast getan. Ihn verprügeln oder eine Dummheit
machen, eine andere Möglichkeit gab es nicht.«
»Du hast keine Dummheit
gemacht.«
»Na, ich weiß nicht. Du wirst sehen,
was für ein Chaos das geben wird, Mahmut versteht nichts von der Sache.«
»Gib ihm kein Geld in die Hand.« Ich
sagte das ungern, aber ich mußte es ihm aus Anstand sagen, aus Anstand auch
Mahmut gegenüber.
»So denkst
du über deinen Freund?«
»Es ist besser, wenn er nicht in
Versuchung geführt wird. Gelegenheit macht Diebe.«
Osman lachte. Offenbar war Lachen
seine Medizin.
»Und Diebe machen Gelegenheiten. Er
wird in Versuchung kommen, natürlich. Und er wird erliegen. Geld wird er nicht
haben, denn ich bezahle alle Rechnungen. Aber er wird aus jedem Sack ein bis
zwei Kilo entwenden, und das genügt ihm. Dedo hat es auch so gemacht, und auf
diese Weise ist er zu seinem Laden gekommen. Jeder wird es so machen, und wenn
er ein Heiliger wäre. Und wenn schon. Jeder richtige Kaufmann kalkuliert das
Manko ein, weil er diese menschliche Schwäche kennt. Es wäre klug, bei allem
im Leben ein Manko einzukalkulieren. Man weiß, daß es so sein muß, und dann
ärgert man sich nicht.«
So entdeckte ich zum erstenmal, daß
auch Osman Schwächen hatte. Und er täuschte sich zum erstenmal in Mahmut.
Den Getreidespeicher machte Mahmut zu seinem Königreich.
Geweißt, gescheuert, gelüftet, wurde
er schöner und heller, und das kleine Zimmer, in dem er saß, wandelte sich zu
einem behaglichen Wohnraum. Mitten im Zimmer stand das glutgefüllte
Kohlenbecken, an der Wand eine hübsche Sitzbank, der Boden war sauber, die
Wände weiß, Mahmut fröhlich.
»Du hast es hübsch hier«, sagte ich,
was Mahmut vermutlich hören wollte.
»Vorher sah es anders aus.«
»Das glaube
ich.«
»Als ich
zum erstenmal herkam, wurde mir ganz schlecht, so schmutzig, finster und
häßlich war es, man mochte keinen Fuß hineinsetzen, geschweige denn
hierbleiben. Wo soll ich meine Freunde empfangen? habe ich gedacht. Dann habe
ich mit Osman-aga geredet, und die Handwerker sind gekommen, ich und meine
Frau haben saubergemacht, ich habe ein paar Sachen von zu Hause geholt, na, und
das ist
Weitere Kostenlose Bücher