Die Feuer des Himmels
versammeln sich irgendwo - ich weiß noch nicht, an welchem Ort -, und ich glaube, auch andere haben die Burg verlassen. Nynaeve berichtet, sie habe eine Botschaft erhalten, daß alle Schwestern gebeten werden, zur Burg zurückzukehren. Eine der Augen-und-Ohren der Gelben sagte ihr das. Wenn die Blauen und Gelben beide weg sind, sind bestimmt auch noch andere geflohen. Und wenn sie sich gegen Elaida stellen, werden sie möglicherweise Rand unterstützen.«
Moiraine seufzte leise. »Erwartet Ihr von mir, daß ich froh darüber bin, wenn sich die Burg gespalten hat? Ich bin eine Aes Sedai, Egwene. Ich habe mein Leben der Burg geweiht, lange bevor ich auch nur vermutete, daß der Drache noch zu meinen Lebenszeiten wiedergeboren werde. Die Burg war dreitausend Jahre lang unser Bollwerk gegen den Schatten. Sie hat Herrscher zu weisen Ratschlüssen geführt, Kriege beendet, bevor sie begannen, und andere, nachdem sie begonnen hatten. Daß sich die Menschheit überhaupt an das Warten des Dunklen Königs auf seine Befreiung und an die bevorstehende Letzte Schlacht erinnert, verdankt sie der Burg. Der vollständigen, vereinigten Kraft der Burg. Ich wünschte fast, alle Schwestern hätten Elaida die Treue geschworen, was auch mit Siuan geschehen sein mag.«
»Und Rand?« Egwene sprach mit genauso ruhiger, beherrschter Stimme. Die Flammen begannen endlich, die Luft im Zelt etwas zu erwärmen, aber Moiraine hatte dem auf ihre eigene Art eine innere Kälte hinzugefügt. »Der Wiedergeborene Drache. Ihr habt selbst gesagt, daß er nicht für Tarmon Gai'don gerüstet sein kann, wenn man ihm nicht Freiheit gestattet, Freiheit zu lernen und die Welt zu beeinflussen. Die vereinigten Kräfte der Burg könnten ihn trotz aller Aiel in der Wüste gefangenhalten.«
Moiraine lächelte ein klein wenig. »Ihr lernt gut. Kühle Vernunft ist immer besser als hitzige Worte. Aber Ihr vergeßt, daß nur dreizehn miteinander verknüpfte Schwestern einen Mann vor Saidin abschirmen können, und selbst wenn sie nicht wissen, wie man die Stränge abbindet, genügen weniger, um die Abschirmung dann aufrecht zu erhalten.«
»Ich weiß, Ihr gebt nicht auf, Moiraine. Was habt Ihr vor?«
»Ich habe vor, so zu handeln, wie es sich ergibt, solange ich noch kann. Wenigstens wird es nun etwas leichter, bei Rand zu bleiben, nachdem ich ihn nicht mehr von dem abhalten muß, was er will. Ich muß mich wohl glücklich schätzen, daß er mich nicht als seine Bedienung bei Tisch einsetzt. Er hört ja auch meistens zu, läßt aber für gewöhnlich nicht erkennen, was er von dem hält, was ich ihm sage.«
»Ich werde es Euch überlassen, ihm von Siuan und den Ereignissen in der Burg zu berichten.« Damit vermied sie unangenehme Fragen, denn Rand mit seinem geschwollenen Kopf würde vielleicht mehr über ihre Fähigkeiten als Träumer wissen wollen, als sie erfinden konnte. »Dann ist da noch etwas. Nynaeve hat Verlorene in Tel'aran'rhiod beobachtet. Sie hat alle erwähnt, die noch am Leben sind, bis auf Asmodean und Moghedien. Einschließlich Lanfear. Sie glaubt, die Verlorenen planten irgend etwas, möglicherweise sogar gemeinsam.«
»Lanfear«, sagte Moiraine nach kurzem Schweigen.
Sie wußten beide, daß Lanfear Rand in Tear besucht hatte und vielleicht auch noch weitere Male, von denen er ihnen nicht erzählt hatte. Keiner wußte viel über die Verlorenen, außer den Verlorenen selbst natürlich, denn in der Burg waren nur noch Bruchstücke von Bruchstücken aller Überlieferungen vorhanden, doch war allgemein bekannt, daß Lanfear Lews Therin Telamon geliebt hatte. Sie beide und Rand wußten: Sie liebte ihn immer noch.
»Mit etwas Glück«, fuhr die Aes Sedai fort, »müssen wir uns über Lanfear keine Gedanken machen. Die übrigen, die Nynaeve sah, sind ein ganz anderer Fall. Ihr und ich, wir müssen so genau aufpassen, wie überhaupt nur möglich. Ich wünschte, mehr von den Weisen Frauen könnten die Macht lenken.« Sie lachte ein wenig. »Aber genausogut könnte ich mir wünschen, sie wären alle in der Burg ausgebildet worden, oder ich hätte das ewige Leben. In bezug auf eine ganze Menge Dinge sind sie ja sehr stark, aber bei anderen Dingen versagen sie eben.«
»Ständig aufzupassen ist ja schön und gut, aber was sonst noch? Wenn ihn sechs Verlorene auf einmal angreifen, braucht er jedes bißchen Hilfe, das wir ihm geben können.«
Moiraine beugte sich vor und legte ihr eine Hand auf den Arm. Sie blickte dabei schon fast liebevoll drein. »Wir
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