Die Feuer von Eden
die Taufe in das Ora loa ia Jesu oder auch »das ewig währende Leben durch Jesus« aufgenommen worden. Halemanu lebte im Dorf Ainepo, nördlich von hier zur Kealakekua-Bucht hin, wo Captain Cook niedergemetzelt worden war.
Mittlerweile hatten wir dem Knaben etwas Wasser eingeflößt und Mangos zu essen gegeben, und er hatte sich aufgesetzt, sich mit dem nackten Rücken gegen die Graswand der Hütte gelehnt und plapperte nun unverdrossen in seinem Kauderwelsch. Seine Augen glänzten fiebrig, vielleicht aufgrund der Gehirnerschütterung, die er sich zugezogen hatte, oder aufgrund des durchlebten Schreckens.
Halemanu war mit seinem Onkel und mehreren Kriegern vom Dorf nach Süden gezogen, da ihr kahuna, der Medizinmann, die Warnung ausgesprochen hatte, daß sich an der Kona-Küste nahe Honaunau, der Stadt der Zuflucht, ein großes Übel erhob. Für Halemanu war es das erste Abenteuer als Mann gewesen.
Am Tag zuvor, gestern, hatte die Gruppe von Männern das namenlose Dorf erreicht, in dem Reverend Whister seine Kirche erbaut hatte. Die Kirche war verlassen. Das Dorf war verlassen. Halemanus Onkel erkannte die Zeichen, daß böse Wesen in das Land eingefallen waren. Die Gruppe war weiter nach Süden gezogen, in der Absicht, ein Dorf in Kau aufzusuchen, in dem — wie Halemanus Onkel wußte — die Pele kahuna lebten, Frauen, die der Göttin huldigten und vielleicht Rat gegen die Dämonen wußten. Die Nacht war hereingebrochen, und das Gewitter hatte die Gruppe aus fünf Männern und einem Knaben weit entfernt von jedem Unterstand überrascht, doch statt an einem so bösen Ort zu verweilen, hatten es Halemanus Onkel und die anderen vorgezogen, eilends durch die Nacht nach Kau weiterzuziehen.
Das Heer der Nacht hatte sie hier überrascht, eine Meile von dem Dorf der Pele kahuna entfernt, nahe dem alten heiau, der wenige Schritte vor unserer Hütte aufragte.
»Unsinn, Junge«, schalt Reverend Haymark. »Du bist ein Christ. Du hängst doch wohl nicht mehr solch kindischem Aberglauben an!«
Halemanu starrte den Geistlichen an, als hätte der Mann irre geredet. »Es waren zwei Ka huakia’i o ka Po «, fuhr der Knabe fort. »Zwei Gruppen, zwei Heere der Nacht. Wir versuchen zu verstecken, aber sie über uns, bevor wir können fliehen in die a’a . Zuerst kommen die aumakua, die alten ali’i, Häuptlinge und Krieger, die vor langer Zeit sind gestorben. Die toten Häuptlinge, sie werden angeführt von einem alo kapu, einem toten Häuptling, dessen Gesicht heilig war, so daß niemand — nicht Mensch, nicht Tier, nicht Vogel — ihn ansehen kann, ohne zu sterben. Wir hören den aumakua rufen ›Kapu o moe!‹, um die lebenden Verwandten zu warnen, aber wir können nicht weglaufen. Mein Onkel, er sagt uns, wir sollen alle Kleider ausziehen und uns auf Rücken legen und Augen schließen. Wir machen das. Aumakuas ziehen vorbei, ich höre Flöte, höre Trommel, höre die manele, die Sänften, in denen die Häuptlinge getragen werden, die nicht alo kapu oder akua kapu sind... das sind Häuptlinge, die uns nicht töten und gehen vor oder hinterher. Ich höre Geister rufen Schande!, weil wir sind nackt. Wir alle haben Augen geschlossen, aber ich höre tote Häuptlinge sagen: Sie bringen uns Schande, indem sie unbedeckt dort liegen. Berührt sie nicht! Dann marschieren das Heer der Nacht weiter. Aber dann kommt ein anderes Ka huakia’a o ka Po. Diesmal ist keine Musik, und kein aumakua ruft » Kapu o moe!‹ Ich machen Augen ganz wenig auf, um zu gucken, und sehe Fackeln — viel heller als die anderen, Fackeln sind rot, fünf vorn, fünf in der Mitte und fünf hinten, weil fünf ist die vollkommene Zahl — die ku a lima. Ich weiß noch, bevor mein Onkel uns zuflüstert, wir sollen im Gras liegen bleiben, daß dies Ka huakia’i o ka Po ist, ein Heer der Götter. Die Götter, die kommen, gehen immer zu sechs in Reihe, drei männliche Götter, drei weibliche Götter — und mein Onkel, er flüstert, daß er glaubt, daß Hi’iaka-i-ka-poli-o-Pele, jüngste Schwester von Pele, sie ist in der ersten Reihe. Dann Onkel warnt uns, wir sollen Augen zumachen und liegen wie tot.«
Hier hielt Halemanu inne, um einen Schluck Wasser zu trinken, und ich spähte im schummrigen Kerzenschein zu Reverend Haymark. Der Pastor hatte die Stirn gerunzelt und schüttelte den Kopf, als wolle er sagen, daß wir die Geschichte des verletzten Knaben nicht für bare Münze nehmen sollten. Ich warf einen Blick zur offenen Tür. Wasser tropfte von der
Weitere Kostenlose Bücher