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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Literatur der Aufklärung. Has meus ad metas sudet oportet equus.
    »Hör mir zu«, sagte Molly Kewalu und stand auf. Sie stimmte einen leisen Gesang an:
     
    »Zu der Zeit, als die Erde heiß wurde
    Zu der Zeit, als die Firmamente sich wendeten
    Zu der Zeit, als die Sonne sich verdunkelte
    Damit der Mond scheinen konnte
    Der Zeit, als das Siebengestirn aufging
    Da war der Schleim die Quelle der Erde
    Die Quelle der Dunkelheit, die Dunkelheit schuf...«
     
    Ein Schöpfungsgesang, dachte Eleanor bei sich. Ein simpler, gewöhnlicher Schöpfungsgesang. Werde ich sterben?
    »Als das All sich wendete, erhitzte sich die Erde«, sang Molly Kewalu.
     
    »Als das All sich wendete, kehrte sich der Himmel um.
    Aus der Quelle im Schleim wurde die Erde erschaffen
    Aus der Quelle in der Dunkelheit wurde die Dunkelheit erschaffen.
    Aus der Quelle in der Nacht wurde die Nacht erschaffen.«
     
    Vereinigung, ging es Eleanor durch den Sinn. Der Schoß der Nacht. Der Geburtsort des Universums im Zusammenprall der Gegensätze. Selbst der Krieg zwischen Pele und Kamapua’a muß weitergehen.
    »Aus den Tiefen der Dunkelheit, der Dunkelheit so tief«, sang Molly Kewalu.
     
    Der Dunkelheit des Tages, der Dunkelheit der Nacht
    Der Nacht allein
    Gebar die Nacht
    Geboren wurde Kumulipo in der Nacht, ein Mann
    Geboren wurde Po’ele in der Nacht, eine Frau.«
     
    Aber die Vergewaltigung muß aufhören, dachte Eleanor. Das Gleichgewicht muß wiederhergestellt werden oder auf ewig verloren sein. Ein Teil ihres Verstands begriff das alles. Ein Teil ihres Verstands scherte sich nicht darum. Muß ich sterben?
    »Mann wurde geboren für den schmalen Strom«, sang Molly Kewalu. Sie berührte Eleanors Hand. Eleanor stand auf und folgte ihr zum dunklen Eingang der Höhle. Jenseits davon zischte die Lava und verströmte ihr rotes Licht. Irgendwo über ihnen erscholl ein Donnern.
     
    »Frau wurde geboren für den breiten Strom
    Geboren war die Nacht der Götter.«
     
    Molly Kewalu ließ Eleanors Hand los. »Kehre zurück, Eleanor Perry aus Ohio. Kehre zurück und tue, was du tun mußt. Bewahre Hoffnung und Mut.«
    Eleanor drehte sich um, tat einen Schritt, dann wirbelte sie voller Panik wieder herum. »Nein! Du mußt mitkommen. Um zu helfen.«
    »Jemand wird dort sein, um zu helfen«, erklärte Molly Kewalu leise, ihre Worte kaum hörbar über dem Zischen der Lava. »Es gibt immer eine Hebamme, um uns zu helfen, wenn wir Schmerzen leiden.«
    Eleanor schüttelte benommen den Kopf. Noch vor wenigen Augenblicken war alles so klar erschienen. »Du mußt mitkommen...«
    »Nicht heute nacht«, erwiderte Molly Kewalu. Sie hob einen Finger, deutete auf den Lavafluß, verfolgte den Strom zurück zur Flanke des Vulkans. »Heute nacht muß ich an einem anderen Ort ein Opfer darbringen.« Sie trat kurz vor, drückte Eleanors Hand und verschwand wieder in der Höhle.
    Eleanor zögerte einen Moment und stolperte dann blind den kleinen Hang hinauf zum Plateau des umgestürzten Felsblocks namens Hopoe, den Tanzenden Felsen.
    Einen Augenblick später schwebte der Hubschrauber ein, blendete Eleanor mit der Staubwolke, die er aufwühlte, während sein ohrenbetäubendes Rattern sie taub werden ließ. Hände zogen sie in die Kabine. Jemand brüllte immer wieder und wieder dieselben Laute. Eleanor brauchte einen Moment, bis sie in den Lauten Worte erkannte; sie trafen ihr Ohr wie eine fremde Sprache.
    »Nein«, antwortete sie schließlich und erlaubte Paul, ihr den Gurt anzulegen. »Sie war nicht dort. Niemand war dort.«
    »In Ordnung«, sagte Mike. Der Motor heulte auf. Sie stiegen auf, kippten zur Seite ab und flogen hangabwärts davon.
     
    »Byron-san« sagte Hiroshe, als die Escargot Mezzanine — überbackene Schnecken in sonnengetrocknetem Tomatenpesto, Butter und Weißwein — serviert wurden, »die Stromversorgung hier scheint unzuverlässig.« Auf der gesamten Länge der festlich gedeckten Tafel flackerten Sturmlampen. Kellner verteilten Schüsseln mit malaysischem Shrimpssalat, bestehend aus Garnelenspießen mit gado-gado- Erdnuß-Dressing und gedünstetem Gemüse auf einem Salatbett.
    »Atmosphäre«, erwiderte Byron Trumbo. »Heute nacht haben wir Gewitter, aber die Notfallgeneratoren werden schon damit fertig.« Er nickte Bobby Tanaka zu, der einen Schalter betätigte. Die elektrischen Kerzen im Kronleuchter flammten auf. Bobby schaltete das Licht wieder aus. »Uns gefällt die Kerzenlichtatmosphäre«, erklärte Trumbo.
    Die weißgekleideten Kellner

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