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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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waren.
    »Ihr könnt eintreten, Avvocato.« Der Arsenalotto war zurückgekehrt und zeigte auf das Innere des Kreuzgangs.
    »Danke«, sagte Andrea und tat einen Schritt auf den Eingang zu.
    »Andrea!« Lächelnd war ein junger Mann auf der Schwelle erschienen, der mit seinem Leibesumfang den ganzen Türrahmen füllte. Sein schwarzer Kittel und der breitkrempige Hut ließen seine Gestalt noch massiger erscheinen.
    »Ich hoffe, ich störe dich nicht«, sagte Andrea und ging auf ihn zu, um ihn zu umarmen.
    »Es ist mir eine Freude, dich zu sehen!« Lucas Ton war herzlich. Er fasste den Freund an den Armen, und als er ihn in den Kreuzgang zog, schien er ihn hochzuheben wie ein riesiger Krake, der seine Beute ergriffen hat und sich nun anschickt, sie in seiner Höhle zu verschlingen.

24
    Luca Foscari war Andreas bester Freund. Nicht sein ältester, aber auf jeden Fall sein treuester Freund. Vielleicht weil ihre Freundschaft an der Universität entstanden war, in einem Alter, in dem man sich seine Freunde bewusst aussucht, statt sich, wie in der Kindheit, aufgrund zufälliger Begegnungen zusammenzuschließen.
    Kennengelernt hatten sie sich in Padua im ersten Jahr Medizin bei den Vorlesungen von Doktor Fallòppia, einem renommierten Anatomen. Man schrieb das Jahr 1561, und alles verlief nach Wunsch. Doch nach der ersten praktischen Übung, bei der die Säge des berühmten cirugico die Schädeldecke eines Hingerichteten öffnete, hatten die Studienwege von Andrea und Luca sich getrennt. Der Freund hatte weiter Leichen seziert und bei dem berühmten Fabrici d’Acquapendente promoviert, während Andrea seinen Doktor in der Rechtswissenschaft gemacht hatte. Er hatte sich fest vorgenommen, die Anwendung der Todesstrafe so weit wie möglich zu reduzieren, mochten die Gefängnisse der Serenissima auch überquellen, und die Rechtsprechung für Arme wie Reiche gleichermaßen unparteiisch zu gestalten. Dieser Weg hatte ihn nach einer Lehrzeit als Anwalt bei den Gerichtshöfen und der Zustimmung des Segretario alle Voci zu der sehnlich erwarteten Ernennung zum Pflichtverteidiger für mittellose Gefängnisinsassen geführt.
    Auch wenn ihre Laufbahnen sich getrennt hatten, die Freundschaft zu Luca war dennoch eng geblieben, denn beide einte dasselbe Ideal: körperliche und seelische Leiden der Menschen zu lindern.
    »Was kann ich für dich tun?« Luca schloss das Törchen mit einem Knall, der zwischen den vier Wänden des kleinen Kreuzgangs widerhallte. Die unverblümte Frage ließ Andrea einige Sekunden lang zögern.
    »Ich brauche Informationen«, sagte er mit brüchiger Stimme.
    Luca musterte ihn. »Bist du als Freund oder als Anwalt gekommen?«, fragte er dann, die Nase zu einer Art Grinsen rümpfend, das die Falten unter seinen Augen hervorhob.
    »Als Freund und auch als Anwalt. Ist das in Ordnung?«
    Luca nickte mehrmals und verzog das Gesicht zu einer fast belustigten Grimasse.
    »Ich hätte es mir denken können.« Er strich sich über die Stoppeln am Kinn. »Weißt du, dass dieses ganze Material hier auf Befehl der Zehn unter strikte Geheimhaltung fällt? Und dir ist auch klar, dass sie in wenigen Stunden wissen werden, dass du hier gewesen bist?«
    »Wirst du es ihnen sagen?«, fragte Andrea ironisch lächelnd.
    »Dummkopf«, entgegnete Luca sofort. »Was willst du wissen?«
    Andrea warf einen Blick auf das Törchen, hakte Luca unter und schob ihn ein paar Schritte auf einen Bogen des Kreuzgangs zu. »Du hast die Toten vom dreizehnten September obduziert, nicht wahr?«
    Luca sah ihn beklommen an, seinen Schnurrbart streichelnd. »Ich und drei Kollegen. Es war furchtbar. Ich träume noch immer von diesen Toten.«
    »Hast du Tonino Ruis untersucht, diesen kleinen Jungen   …«
    »Moment mal«, unterbrach ihn Luca, »das fällt unter das Ermittlungsgeheimnis.«
    »Alles hier fällt unter das Ermittlungsgeheimnis. Antworte mir. Hast du ihn untersucht?«, beharrte Andrea.
    Luca schwieg eine Weile, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Und ich glaube, er wurde gar nicht obduziert.«
    »Gibt es wenigstens den Totenschein der Provveditori alla Sanità ?«
    »Nun, den müsste es geben.«
    »Ich brauche ihn.«
    »Hol ihn dir doch selbst. Das ist dein Recht, oder?«, stichelte Luca und blickte ihn forschend an. »Erklärst du mir, um was es hier geht?«
    »Das werde ich tun. Aber nicht jetzt.«
    Luca seufzte. »Na gut, ich sehe mir den Totenschein für dich an. Noch etwas?«
    »Wie ist Suor Lucia Vivarini gestorben?«, fragte

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