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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Streitwagen festgebunden hat.
    Warum konnte sie das sehen und ihre Eltern nicht? Sollten die Eltern nicht klüger sein als sie? Es ängstigte Kassandra, daß es nicht so war.
    Sie fühlte sich krank und elend. Sie hatte den ganzen Tag neben ihrer Mutter gestanden und sich nicht einmal von dem trockenen Brot und dem Öl geben lassen, die alle Soldaten mittags bekamen. Sie aß etwas und trank ein bißchen verdünnten Wein, ehe sie mit Hekabe zu Priamos ging, um seinen Kammerdienern zu helfen, ihn in seine prächtigsten Gewänder zu kleiden.
    »Wenn ich nicht in meinen besten Gewändern zu Achilleus komme«, sagte der König, »glaubt er vielleicht, ich halte ihn dieser Ehre nicht für würdig. Natürlich tue ich das nicht, aber er soll es trotzdem nicht glauben.«
    »Da bin ich nicht sicher, Vater«, gab Paris zu bedenken, der zusah, wie man Priamos den Bart schnitt. »Vielleicht fühlt sich dieser Verrückte in seiner Eitelkeit noch mehr geschmeichelt, wenn du als Trauernder und Bittsteller zu ihm kommst.«
    »Aber wenn du ihm den Reichtum Troias zeigst, weckst du vielleicht seine Habgier«, sagte Andromache, »wenn wir ihn schon nicht bei seiner Ehre packen können.«
    »An sein Ehrgefühl können wir uns nicht wenden«, sagte Paris, »denn es ist deutlich, daß er keins besitzt. Es geht nur darum, wie wir ihn am besten überreden können, uns Hektors Leiche für das Begräbnis zu überlassen. «
    »Ich gehe als Bittsteller zu ihm«, erklärte Priamos und legte entschlossen seinen Umhang wieder ab. »Man bringe mir das einfachste Gewand, das ich besitze. Ich werde außerdem allein zu ihm gehen. «
    »Nein!« rief Hekabe und fiel verzweifelt vor ihm auf die Knie. »Wir haben erlebt, daß dieser Unmensch Sitten nicht achtet, sonst wäre Hektor inzwischen in seinem Grab. Wenn du dich ungeschützt in seine Nähe begibst, bringt er dich um oder mißhandelt dich und schändet deinen Leichnam wie den Hektors. Du kannst nicht ohne Wachen zu Achilleus.«
    »Wenn nötig gehe ich zuerst zu unserem alten Freund Odysseus, und er kann mich zu Achilleus geleiten. Wir wissen, Achilleus liegt viel an der Zustimmung von Odysseus, und in seiner Gegenwart wird er mich nicht beleidigen.«
    »Das genügt nicht«, jammerte Hekabe und umklammerte seine Beine. »Wenn du diese Torheit nicht läßt, wirst du keinen einzigen Schritt tun, denn ich werde dich nicht loslassen.«
    Priamos versuchte, sie abzuschütteln. Aber Hekabe ließ nicht los. Priamos brummte ärgerlich.
    »Meine Königin«, sagte er schließlich, »was soll ich tun? Wenn ich mit Bewaffneten zu Achilleus gehe, denkt er nur, ich fordere ihn zum Zweikampf heraus. Möchtest du das?«
    »Nein!« schrie Hekabe, ließ Priamos aber nicht los.
    »Was soll ich also deiner Meinung nach tun? Warum kann eine Frau nicht vernünftig sein?«
    »Ich weiß es nicht, mein Herr und Gebieter, aber du wirst nicht allein zu diesem Wahnsinnigen gehen.«
    »Laßt  mich  gehen«, erklärte Andromache ruhig und würdevoll. »Achilleus soll Hektors Sohn und seiner Witwe erklären, weshalb er den Leichnam nicht gegen Lösegeld freigibt.«
    »Oh, meine Liebe…« begann Priamos, Hekabe fiel ihm empört ins Wort. »Wenn ihr glaubt, ich lasse zu, daß man meinen Enkelsohn in die Nähe dieses Ungeheuers bringt. … «
    »Mir kommt ein besserer Gedanke. Nimm einen Priester mit, und sei es auch nur als Zeuge vor den Göttern. Achilleus fürchtet die Götter.«
    »Noch besser«, erklärte Priamos, »ich gehe mit zwei Priesterinnen, mit Kassandra und Polyxena. Die eine dient Apollon und die andere der Jungfrau Athene. Welche Unsterblichen Achilleus auch fürchtet, sie sollen seine Ruchlosigkeit mitansehen.«
    Er fragte Kassandra: »Fürchtest du dich, mit deinem alten Vater zu Achilleus zu gehen, mein Mädchen?«
    »Nein, Vater«, erwiderte sie, »ich begleite dich unbewaffnet oder bewaffnet, wenn du willst. Vielleicht hast du vergessen, daß ich bei den Amazonen zur Kriegerin ausgebildet worden bin.«
    »Nein«, erklärte Polyxena mit ihrer kindlichen Stimme, »keine Waffen, Schwester. Wir gehen barfuß und mit offenen Haaren und flehen um Mitleid. Es wird seiner Eitelkeit schmeicheln, wenn wir vor ihm knien. Zieh ein schlichtes weißes Gewand ohne Stickereien oder Bänder an und bürste dir die Haare aus - oder noch besser«, fügte sie hinzu und griff nach einer Schere, »schneide sie zum Zeichen deiner Trauer ab. « Ohne auf die Entsetzensrufe ihrer Mutter zu achten, schnitt sie sich die langen, rötlichen

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