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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Troia?

11
    Penthesilea, Kassandra und die anderen, die nach Kolchis zurückkehrten, trennten sich von der Karawane, die weiter in das ferne Land der Hethiter zog. Sie mußten ihre Geschwindigkeit nun nicht mehr den langsamen, schwerbeladenen Wagen anpassen und kamen schnell vorwärts. Kassandras Wange schmerzte, und das Reiten vergrößerte die Schmerzen noch. Sie fragte sich, welches Geschick die anderen Kriegerinnen auf ihrem langen Weg noch erwartete und wünschte beinahe, sie hätte mit ihnen in das unbekannte Land reiten können, und sei es auch nur, um mit den Amazonen zu kämpfen und zu sterben. Aber , so dachte sie, ich sollte mich nicht beklagen. Ich bin bereits weiter von meiner Heimat entfernt als jede troianische Frau, weiter sogar als einer meiner Brüder oder selbst Priamos gewesen ist.
    Penthesilea schien sich wegen eines Angriffs keine Gedanken zu machen. Vielleicht lohnte es sich nicht, Amazonen zu überfallen, wenn sie kein Metall bewachten. Und wer würde die nächste Karawane schützen, da so viele Amazonen die eine begleiteten? Aber sie wußte, darum mußte sie sich keine Gedanken machen.

    Sie freute sich darauf, Kolchis besser kennenzulernen; der Orakelspruch der Göttin hatte Penthesilea befohlen, dort einige Zeit zu bleiben. Auf Kassandra wartete danach nur noch die Rückkehr nach Troia. Sie verstand jetzt, was ihre Tante gemeint hatte, als sie sagte, sie solle zurückkehren, ehe sie völlig ungeeignet für das normale Leben einer troianischen Frau sein würde.
    Dazu ist es bereits zu spät , dachte Kassandra.  lch werde verrückt, wenn ich den Rest meines Lebens in einem Haus eingesperrt sein soll.
    Dann dachte sie an die Vision von den Göttinnen und an ihren Bruder. Ihre Gabe würde ihr immer ermöglichen, ihre Umgebung zu verlassen, und so hatte sie es besser als viele andere Frauen. Aber war das ein Ersatz für wirkliche Veränderungen? Oder war es nur ein Hohn, daß ihr Geist den Mauern entfliehen konnte, die sie gefangen hielten, und ihr Körper nicht?

    Kassandra hätte gerne mit ihrer Mutter darüber gesprochen, die sowohl das eine Leben wie das andere kannte und für ihre Fragen Verständnis haben mochte. Würde ihre Mutter bereit sein, offen darüber zu sprechen, nachdem sie ihre unwiderrufliche Entscheidung getroffen hatte? Was hatte ihre Mutter für all das gewonnen, das sie aufgegeben hatte? Würde sie dieselbe Entscheidung noch einmal treffen?
    Kassandra wußte, Hekabe würde ihr die Gelegenheit zu einem offenen Gespräch über solche Fragen niemals geben. Ihrer Mutter war es wichtig, daß man sie für mächtig hielt, und deshalb würde sie weder Kassandra noch jemandem sonst eingestehen, daß sie eine Entscheidung getroffen hatte, die nicht absolut richtig war. Mit wem sonst konnte sie darüber sprechen? Gab es einen Menschen, dem sie ihre Verwirrung und ihren Kummer gestehen konnte? Kassandra fiel niemand ein. Penthesilea würde sich einem Gespräch vermutlich nicht stellen. Kassandra zweifelte nicht daran, daß ihre Tante sie liebte; aber in ihren Augen war sie ein Kind, keine Erwachsene, mit der sie offen redete.
    Obwohl sie so schnell ritten, wie sie den Pferden zumuten konnten, schien der Weg nach Kolchis kein Ende zu nehmen. Zwar sahen sie am Ende des ersten Tages in der Ferne bereits die hohen Stadtmauern mit den eisernen Toren. Trotzdem lag noch eine weite Strecke vor ihnen. Sie saßen tagelang vom Morgengrauen bis zum Abend im Sattel und machten nur mittags Rast, um den üblichen Käse zu essen oder Stutenmilch zu trinken. Zumindest war das besser als der Hunger auf den Weiden im Süden. Als die Sonne am dritten oder vierten Tag unterging, erreichten die erschöpften Reiterinnen die großen Tore und Wachtürme. Die Amazonen brachen in Freudenrufe aus, in die Kassandra einstimmen wollte. Aber als sie den Mund öffnete, schmerzte die verbundene Wunde. Es wurde kalt, und es würde bald anfangen zu regnen.
    Noch im Schatten der Mauern kam eine Botin aus dem Palast und sprach mit Penthesilea. Ihre Tante winkte Kassandra zu sich.
    »Du und ich, wir sind in den Palast eingeladen, Kassandra. Die anderen reiten in unsere Lager.«
    Kassandra fragte sich, was die Königin von ihnen wollte. Sie ritten im Schritt durch die gepflasterten Straßen und übergaben die Pferde am Palasttor den Stallknechten. Dann führten die Frauen sie zu Königin Imandra.
    Die Königin erwartete sie im selben Raum wie bei dem ersten Besuch. Ein junges Mädchen, dessen dunkle Locken ihr über die

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