Die Feuerbraut
Mal schmerzten, als würden sie mit glühendem Eisen versengt.
»Tut doch etwas«, flehte Irmela den Arzt an. Die Stimme der Geschändeten bereitete ihr Übelkeit. Am liebsten wäre sie fortgerannt und hätte sich an einem stillen Ort verkrochen. Doch den Reden um sie herum hatte sie entnommen, dass selbst die Kirchen mit obdachlosen Menschen überfüllt waren.
Forstenheuser tastete nun vorsichtig Ehrentrauds Gesicht ab und forderte Johanna auf, die Brüste der Verletzten zu waschen. Als Ehrentraud vor Schmerzen wimmerte, holte er ein Fläschchen hervor und reichte es ihr. »Nehmt einen kräftigenSchluck hiervon! Der Saft wird Euch die Schmerzen ertragen helfen.«
Ehrentraud riss dem Arzt das Gefäß aus der Hand und trank, verschluckte sich aber und hustete zum Gotterbarmen.
»Was ist das für Teufelszeug?«, röchelte sie, als sie wieder ein wenig zu Atem gekommen war.
»Das ist der letzte Rest Aqua Vitae, der mir geblieben ist. Entweder schluckt Ihr ihn richtig herunter oder gebt mir die Flasche zurück!«, antwortete der Arzt schroff.
Aus Angst vor den Schmerzen leerte Ehrentraud das Gefäß bis zur Neige, und die Medizin schien auch bald zu helfen. Sie wimmerte nicht einmal, als Forstenheuser ihre zerschnittenen Wangen hin und her schob und sie zuletzt doch mit ein paar vorsichtigen Stichen zusammenheftete. Ihren Busen behandelte er nur mit einem Puder, der, wie er sagte, weiteres Bluten und Entzündungen verhindern sollte. Dann verabschiedete er sich mit dem Hinweis, weitere Verletzte aufsuchen zu müssen, und als er Ehrentraud den Rücken zuwandte, wirkte er fast erleichtert.
VIII.
Ein Teil der Geretteten hatte Verwandte in Neuburg, die sich ihrer annahmen. Irmela und Johanna aber mussten bleiben, denn das Stadthaus der Hochbergs wurde gerade umgebaut und war ohne Dach und Fenster. Meinarda von Teglenburg, Walburga Steglinger und Ehrentraud mussten zunächst ebenfalls mit der Ecke im Gesindespeisesaal vorliebnehmen.
Am Vormittag des nächsten Tages erschienen ein halbes Dutzend Nonnen und nahmen sich der Frauen an. Die Hofdamen der Herzogin Magdalena hatten ihnen Gewänder aus ihren eigenen Truhen mitgegeben, so dass die Flüchtlinge sich wieder ihremRang gemäß kleiden konnten. Ehrentraud von Lexenthal vergaß für ein paar Augenblicke ihr zerschnittenes Gesicht und die verstümmelten Brüste und bewunderte den tiefroten Samt des Kleides, das für sie bestimmt war. Der Unterrock bestand aus hellgrünem Stoff und der Stehkragen aus echten Brüsseler Spitzen. Da Ehrentraud nicht zum Hauptzweig der Lexenthals zählte und auf die Gunst ihres Oheims Xaver von Lexenthal angewiesen war, der als Prior in einem nahe gelegenen Kloster amtierte, hatte sie bisher noch kein so prächtiges Gewand besessen. Gebieterisch verlangte sie einen Spiegel. Meinarda von Teglenburg verweigerte ihn ihr zunächst, da sie einen weiteren Ausbruch befürchtete. Doch als das Quengeln der Verletzten unerträglich wurde, erfüllte sie ihr schweren Herzens diesen Wunsch. Eine Weile starrte Ehrentraud mit weit aufgerissenen Augen ihr Abbild an, ohne einen Laut von sich zu geben, und blieb auch stumm, als Meinarda ihr den Handspiegel aus den verkrampften Fingern wand und ihn der Nonne zurückgab.
Gegen Mittag erschien Forstenheuser mit vor Müdigkeit grauem Gesicht und blutunterlaufenen Augen. Zunächst begutachtete der Wundarzt die Verletzung in Ehrentrauds Gesicht und bat sie dann, ihren Busen zu entblößen. Dazu benötigte sie Johannas Hilfe, denn ihr neues Kleid wurde auf dem Rücken geschlossen. Irmelas Tante nahm auch den Verband ab, den die Nonnen ihrer Freundin angelegt hatten, denn die Verletzte scheute sich, die Leinenstreifen mit den Fingern zu berühren.
Forstenheusers Miene drückte Mitleid und Hoffnungslosigkeit aus, doch während er noch um Worte rang, fasste Ehrentraud seine Hände. »Ihr müsst mir helfen, Herr Doktor! So kann ich nicht weiterleben.« Sie gab ein unartikuliertes Gestammel von sich und begann sich mit den Händen gegen die Brust schlagen. Zwei Nonnen griffen schnell zu, ehe sie sich selbst schaden konnte.
Die ranghöhere Schwester sah den Arzt so leiderfüllt an, als sei sie selbst so übel zugerichtet worden. »Wie können Menschen nur so grausam sein, ein unschuldiges Mädchen derart zu verstümmeln?«
»Das sind keine Menschen, sondern Schweden«, antwortete der Arzt in einem Ton, als bestünde das Heer Gustav Adolfs aus lauter menschenfressenden Bestien. »Hier ist meine Kunst am Ende. Ich
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