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Die Feuerbraut

Titel: Die Feuerbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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die Hände gefallen. In dem Fall war sie trotz ihres hohen Ranges so arm wie eine Bettlerin auf den Treppenstufen der Kirche.
    Sie sah zu Johanna hinüber und überlegte, ob sie ihre Tante nach den Besitztümern ihres Vaters fragen sollte, ließ sich dann jedoch mit einem Aufseufzen wieder zurücksinken. So, wie ihr Vater zu seiner Halbschwester gestanden hatte, hatte er ihr gewiss keinen Einblick in die familiären Verhältnisse gewährt. Graf Ottheinrichhatte seine Halbschwester Johanna nur geduldet, weil es die Pflicht so gebot, und seiner Tochter von Anfang an Abneigung gegen das nur wenig ältere Mädchen eingeflößt. Dennoch war Irmela ihrer Tante freundlich gegenübergetreten und hatte ihre Freundschaft gesucht. Johanna aber hatte sie mit Spott und Häme überschüttet, so dass Irmela sich bald von ihr zurückgezogen hatte. Nun bedauerte sie das schlechte Verhältnis zu Johanna, denn in dieser Situation hätten sie einander Halt geben können. Ihre Tante beachtete sie jedoch ebenso wenig wie zu Hause, sondern hielt sich in Ehrentrauds Nähe auf, obwohl sie diese früher heftig beneidet hatte. Immer wieder streichelte sie die Verletzte, die zumeist mit dem Gesicht zur Wand lag, und flüsterte ihr Trost zu.
    Eine zärtliche Hand hätte Irmela sich ebenfalls gewünscht, und sie hoffte, dass der durchlebte Schrecken und die gemeinsame Not die Schranken zwischen ihr und Johanna niederreißen würden. Sie stand auf und ging zu den beiden hinüber, doch bevor sie etwas sagen konnte, drehte Ehrentraud ihr das Gesicht zu und starrte sie hasserfüllt an.
    »Das habe ich alles dir zu verdanken! Dich selbst und ein paar andere hast du mit deinen Hexenkräften vor den Augen der Schweden verborgen! Aber dein Neid auf meine Schönheit hat dich dazu gebracht, mich diesen ketzerischen Hunden auszuliefern.«
    Irmela verschlug es die Sprache. Dafür zeigte Walburga Steglinger sich umso beredter. »Deine Entstellung hast du ganz allein dir selbst zu verdanken! Du hättest Irmela folgen und dich im Wald verstecken können. Stattdessen hast du sie eine übergeschnappte Kuh genannt.«
    Ehrentraud ballte die Fäuste. »Sie ist eine Hexe! Das sagt Johanna auch, und sie muss es wissen.«
    Der Blick, den sie mit Irmelas Tante wechselte, ließ erahnen, dass die beiden schon mehrfach über das Mädchen und die Vorgänge auf der Flucht gesprochen hatten und einer Meinung waren.
    Irmela fragte sich, warum Ehrentraud ihr solch tiefe Abneigung entgegenbrachte. Dahinter konnten nur Johannas Hetzereien stecken. Ihr wurde klar, dass sie und ihre Tante wohl niemals Freundinnen werden würden, und da Johanna den Zorn ihres Halbbruders nicht mehr fürchten musste, benahm sie sich nun noch gehässiger als zu Hause.
    Enttäuscht wandte Irmela sich ab und setzte sich zu Frau Meinarda, die ihr den kleinen Siegmar übergab. Das Kind quengelte, denn es langweilte sich in der düsteren Ecke, in die kaum Tageslicht fiel, doch weder seine Mutter noch Irmela fühlten sich kräftig genug, mit ihm in dem Gewühle spazieren zu gehen, das in der Residenz herrschte.
    Die Stunden tropften zäh dahin. Den Frauen war nicht zum Reden zumute, denn keine von ihnen war in der Lage, über das Erlebte oder ihren Verlust zu sprechen. Walburga Steglinger, die inzwischen wusste, dass ihr Mann dem Unglück entronnen war, hob bei jedem Öffnen der Tür den Kopf, doch dieser ließ sich Zeit.
    Wieder betrat jemand den Saal, und das sofort einsetzende Schweigen im anderen Teil verriet, dass es sich um eine hochgestellte Persönlichkeit handeln musste. Gleich darauf wurde ein Teil des Vorhangs, der ihr kleines Refugium abtrennte, beiseite gezogen, und zwei Lakaien hielten Laternen hinein. Zwischen ihnen tauchte der Höfling auf, der sie hier einquartiert hatte, und machte Platz für einen Mann, der einen Rock aus blau und weiß gemustertem Brokat trug. Eine schwere Goldkette zierte die Brust des Herrn, und ein hoher, weißer Kragen engte seinen Hals so ein, dass er kaum den Kopf bewegen konnte. Aus einem schmalen, von Sorgenfalten durchzogenen Gesicht blickten zwei tief in den Höhlen liegende Augen auf die Damen herab.
    Meinarda von Teglenburg erkannte Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm und schnellte hoch, um sofort in einem tiefen Knicks zu versinken. Nun begriff auch Irmela, dass der Herzog von Pfalz-Neuburgvor ihnen stand, und folgte ihrem Beispiel, während Walburga Steglinger sichtlich Mühe hatte, auf die Beine zu kommen. Johanna starrte den Besucher zunächst fragend an, bevor

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