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Die Feuerbraut

Titel: Die Feuerbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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war weder ihre Stiefgroßmutter noch Johanna, die hinter ihr auftauchte, sondern eine der einheimischen Mägde, ein mittelgroßes, dralles Ding in einem grauen Kleid, einem Kopftuch an der Stelle eines Häubchens und einem Spankorb voller Holz unter dem Arm.
    Schnell trat Irmela beiseite, damit die Magd ihre Last abstellen und die Scheite unter dem Ofen verstauen konnte. Die junge Frau konnte kaum mehr als zwanzig Jahre zählen und wirkte auf den ersten Blick recht hübsch. Als sie jedoch ihren Kopf drehte, sah Irmela eine daumenlange, wulstige Narbe, die über die rechte Wange der Magd lief und sie entstellte. Bis jetzt hatte Irmela sich wenig um die Bediensteten in diesem Haus gekümmert, doch jetzt erwachte ein gewisses Interesse in ihr.
    »Du hast wohl viel zu tun?«, fragte sie, um ins Gespräch zu kommen.
    »Gar so schlimm ist es nicht«, versicherte die Magd mit einem listigen Zwinkern. »Weißt du – verzeiht! Wisst Ihr, ich bin ganz froh, dass es viel Arbeit gibt. Sonst hätte ich die Stellung hier nicht bekommen. Früher musste ich auf Tagelohn gehen, und das ist viel härter, sage ich dir … Verzeihung, ich meine Euch.« So ganz schien die Magd nicht zu wissen, wie man ein junges Mädchen von Irmelas Stand ansprechen sollte, und lachte über sich selbst.
    Ihre fröhliche Art sprang auf Irmela über. »Wie heißt du?«
    »Also, ich bin die Fanny, ehrlicher Leute Kind, was man heutzutage nicht mehr von jedem sagen kann.«
    Ganz so ernst, wie es sich anhörte, schien Fanny ihre Worte nicht zu meinen, denn sie lächelte schelmisch und musterte Irmelaneugierig. Als rangniedrigste Magd hatte sie das Mädchen immer nur von weitem gesehen und stumm zugehört, wenn die anderen sich über das schmale, weit hinter ihrem Alter zurückgebliebene Ding mit dem kleinen, spitzen Gesicht ausließen. Nun aber zweifelte sie an den hässlichen Gerüchten, die unter der Dienerschaft die Runde machten. Es hieß, Irmela sei nicht nur körperlich, sondern auch geistig nicht normal, und es könne nicht mehr lange dauern, bis sie reif sei für den Narrenturm. Die haselnussbraunen Augen, mit denen das Fräulein sie musterte, zeugten zwar von Trauer und erlittenem Leid, doch ihr Blick war klar und scharf. Gleichzeitig verriet der Ausdruck im Gesicht des Fräuleins, dass es unter der Einsamkeit litt, zu der es hier verurteilt war.
    Als Tochter einfacher Bauern hatte Fanny bisher kaum etwas über die Welt des Adels erfahren, aus der Irmela stammte, doch sie verfügte über einen gesunden Menschenverstand und wusste, dass sie als Erste auf die Straße gesetzt werden würde, wenn im Haus weniger Arbeit anfiel, und das konnte schon bald der Fall sein. Meinarda von Teglenburg hatte, wie man sich in der Gesindeküche erzählte, Nachricht von Verwandten aus Österreich erhalten, die sie und ihren Sohn bei sich aufnehmen wollten, und wenn die Freiin und Frau Walburga fort waren, würde sie wohl nicht mehr gebraucht werden. Daher musste sie sich eine Fürsprecherin verschaffen. Zwar galt Irmelas Wort so gut wie nichts in diesem Haus, doch da die anderen Damen ihre Existenz nicht einmal zur Kenntnis nahmen, war es einen Versuch wert, die Gunst des Edelfräuleins zu erlangen.
    »Hat man Euch schon das Waschwasser gebracht?«, fragte Fanny, obwohl ihr die Wirtschafterin eigentlich eine andere Arbeit aufgetragen hatte.
    Irmela schüttelte den Kopf. »Nein, ich wollte es mir eben selbst holen, aber dann sind die beiden Ärzte erschienen. Sie müssenvor Tag aufgebrochen und rasch ausgeschritten sein, sonst wären sie nicht so früh hier gewesen.«
    »Wahrscheinlich hat die Belohnung sie angetrieben, die sie für Fräulein Ehrentrauds Heilung erhalten sollen. Doch da wird ihnen der Schnabel sauber bleiben. Narben lassen sich nicht wegwischen wie Schmutz.« Fanny zeigte dabei auf ihre Wange, und für einen Augenblick huschte ein bitterer Zug über ihr Gesicht. Da sie vor dieser Verletzung ein hübsches Mädchen gewesen war, hatte ein Bauer mit einem ansehnlichen Hof die Absicht geäußert, sie zur Frau zu nehmen. Doch aufspritzendes, kochend heißes Schweinefett hatte diese Aussichten mit einem Schlag vernichtet, und Fanny konnte nicht einmal einem anderen die Schuld daran geben. In ihren Träumen von einer schönen Zukunft verfangen, hatte sie selbst den verhängnisvollen Fehlgriff getan. Angesichts der entstellenden Verletzung hatte der Bauer nichts mehr von einer Heirat wissen wollen. Aber wenn sie es recht betrachtete, bedauerte sie seine

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