Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
sie handelte. Fast sah sie sich selbst zu, wie sie mit natürlichen Bewegungen, flüssig und elegant, hin und her sprang, auswich, parierte, oben, unten, seitlich …
Amina legte noch mehr Kraft in ihre Schläge, während ihre Bewegungen bald schon immer fahriger wurden. Aber das merkte sie nicht. Sie wollte sich austoben, drauflos schlagen bis zur Erschöpfung. Ihre Augen waren gerötet, und als Adhara ihren letzten Hieb parierte und ihr das Schwert aus der Hand flog, schrie sie vor Zorn und stampfte mit dem Fuß auf. Dann stand sie reglos da, die Fäuste geballt und den Kopf gesenkt, und weinte still vor sich hin, Tränen der Wut und der Enttäuschung.
Adhara verstand, was in ihr vorging. Trotz allem, was sie trennte, und obwohl sie eigentlich so wenig wusste von der Welt, verstand sie dieses kleine Mädchen ganz tief in ihrem Inneren. Sie griff nicht ein, ließ zu, dass sie sich ausweinte,
ohne sie zu trösten oder in den Arm zu nehmen, denn das hätte Amina, wie ihr klar war, nur als Kränkung aufgefasst.
Als es sich selbst genug bemitleidet hatte, wischte sich das Mädchen mit dem Ärmel die Tränen von den Wangen und schaute danach zu Adhara auf. Ihre Augen funkelten. »Wehe, du sagst jemandem, dass ich geheult habe«, knurrte sie.
Adhara lächelte sanft. »Du kannst dich auf mich verlassen.«
Erst dann ging sie zu ihr und legt ihr ganz einfach eine Hand auf die Schulter. Als Amina sie anblickte, war aus ihren Augen schon ein wenig Groll gewichen.
»Weißt du, vor ein paar Tagen«, setzte Adhara dann hinzu, »hat mir dein Vater selbst noch gesagt, dass es gar nicht schlimm ist, hin und wieder auch mal schwach zu sein. Dafür muss man sich nicht schämen.« Sie biss sich auf die Lippen. »Mir geht es übrigens sehr oft so.«
»Ach, mein Vater …«, stieß Amina hervor, »… der versteht es, schöne Worte zu machen. Er sagt immer, dass er auf meiner Seite steht, und das glaube ich ihm eigentlich auch, aber …«
Adhara wartete, bis Amina selbst die richtigen Worte gefunden hatte.
»Aber dann zwingt er mich, in diesem goldenen Käfig zu leben. Unterstützt meine Mutter, wenn sie lauter todlangweilige Dinge von mir verlangt, wie Kleider anprobieren und so was … Ich will aber nicht so sein, wie meine Mutter es gern hätte … Ich will etwas anderes.« Sie seufzte. »Ach, ich bin immer so wütend! Dabei möchte ich im Grund nur in Ruhe gelassen werden und das tun, woran ich Spaß habe … Oder einfach jemanden haben, der mich versteht. Aber mein Vater ist immer fort, und meine Mutter hat überhaupt keine Ahnung …«
Adhara zuckte mit den Achseln. »Tröste dich. Mir geht es ganz ähnlich wie dir. Ich fühle mich auch allein gelassen. Stell dir nur vor, ich weiß noch nicht einmal, wer ich
eigentlich bin, woher ich komme, wieso ich so gut mit dem Schwert umgehen kann … Und der Einzige, der mich versteht und dem ich mich nahe fühle, scheint einfach verschwunden zu sein.«
Amina sah sie mitfühlend an. »Es wäre wirklich schön, wenn du meine Freundin sein könntest.«
Adhara spürte, wie sich Wärme in ihrem Bauch ausbreitete. Vielleicht lag es an Aminas Blick oder daran, wie sie diese Worte ausgesprochen hatte. Jedenfalls hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, ein Plätzchen gefunden zu haben in dieser großen Welt, die sie nicht verstand. Obwohl selbst unsicher und schwankend, konnte sie doch der Anker dieses Mädchens sein, ein kleiner fester Halt. Sie verstärkte den Druck ihrer Hand auf Aminas Schulter.
»Das will ich auch. Wir werden sehr gute Freundinnen werden. Glaub mir!«
In den ersten Tagen jener Woche stürzte sich Amhal ganz in seine Aufgaben als angehender Drachenritter. Morgens Ausbildung im Reiten und Fechten, am Nachmittag Wachund Streifendienst, abends gemeinsame Essen in der Akademie. Er hatte das Bedürfnis, sich wieder enger an Mira zu binden. Der Meister hatte ihm sehr gefehlt in den Wochen, da er allein unterwegs gewesen war, und ihm war klargeworden, wie verloren er ohne ihn war. Sobald sich dessen Schatten verflüchtigte, war sie wieder da, diese Raserei, die er in sich spürte, zusammen mit der Erinnerung an die Schrecken, die er durch sie erlebt hatte. Dann schien es ihm wieder unmöglich, gegen sie anzukommen, und alles drohte ins Chaos abzugleiten. Schließlich war es kein Zufall, dass er es trotz aller Mühen und seines Einsatzes immer noch nicht zum Drachenritter geschafft hatte, und er fragte sich, ob er es jemals so weit bringen würde.
So trat Adhara in den
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