Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
»Kriegsverletzungen«, die sie im Kampf mit der Prinzessin davongetragen hatte, ein wütender Hieb Aminas mit dem hölzernen Schwert.
»Das war keine Absicht«, erwiderte sie.
Kalth kicherte. »Als wir noch kleiner waren, haben wir oft zusammen gespielt. Das war kein Spaß für mich. Da war ich der Leidtragende ihrer verrückten Einfälle. Einmal hat sie mir sogar kochendes Wasser übergekippt …« Er zog sich einen Ärmel hoch und zeigte ihr einen hellen Fleck auf dem Oberarm. »Es sollte nur ein Scherz sein … aber seitdem gehe ich ihr aus dem Weg.«
Ein langes Schweigen folgte, dem Adhara kein Ende zu machen wusste.
»Ich hoffe aber, dass du nicht aufgibst«, fuhr Kalth dann mit einer Andeutung von Mitgefühl in seinen Augen fort. »Sie braucht dich.« Mit einem Seufzer klappte er sein Buch zu und sah lächelnd zu ihr hinüber. »So, ich bin müde. Gute Nacht!« Und damit bewegte er sich geräuschlos zur Tür.
Nach diesem Abend begegnete sie ihm häufiger in der Bibliothek. Obwohl sie kaum ein Wort miteinander wechselten, freute sich Adhara immer, ihn dort, aufmerksam studierend, auf seinem Platz vorzufinden. Seine Anwesenheit erfüllte sie mit einer eigentümlichen Ruhe, die sehr wohltuend war nach einem anstrengenden Tag mit Amina.
Währenddessen gingen ihre Nachforschungen weiter. Sie hatte wieder dort angesetzt, wo sie sie vor ein paar Wochen hatte abbrechen müssen: bei diesen mysteriösen Erweckten. Emsig suchte sie, verschlang Buch um Buch und lernte auf diese Weise gleichzeitig viel Neues über den Ort, an den es
sie jetzt verschlagen hatte. Doch ihrem eigentlichen Ziel war sie bislang nicht näher gekommen. Hin und wieder kam es vor, dass sie abends erschöpft über einem dieser dicken Wälzer einschlummerte, weil sie den ganzen Nachmittag wieder wild hatte herumtoben müssen. Amina war nicht zu bändigen. Und sie liebte es, ihre Gesellschafterin herumzukommandieren, sie ihre Macht spüren zu lassen. Ganz plötzlich wechselte ihre Stimmung. War sie gerade noch nett und freundlich, so betrug sie sich im nächsten Moment despotisch und unerträglich und verlangte dann von Adhara, alles zu tun, was sie ihr befahl.
Hatte Adhara anfangs noch geglaubt, es sei am klügsten, sich Amina zu fügen – schließlich war sie eine Prinzessin, die man besser nicht verärgerte -, so ging sie bald schon dazu über, sich nicht alles gefallen zu lassen so wie am ersten Tag, als Amina sie verleumdet hatte. Nicht nur zur Wahrung der eigenen Selbstachtung war das besser, sagte ihr der Instinkt, sondern auch für Amina selbst. Denn unter diesem Hochmut, dem Trotzkopf, den Launen verborgen, spürte Adhara bei der Prinzessin eine Art Ratlosigkeit dem Leben und der Welt gegenüber, eine Einsamkeit, in der sie sich selbst wiedererkannte. Indem er sie beide zusammenbrachte, hatte Neor große Weitsicht bewiesen, denn es stimmte: Sie und Amina waren sich tatsächlich ähnlich.
Es war, als wolle es der Prinzessin nicht gelingen, ihren Platz in der Welt zu begreifen und zu finden. Und deswegen rebellierte sie gegen alles, was sie umgab, in dem verzweifelten Versuch, nicht ihre Wünsche der Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit ihren Wünschen anzupassen. Adhara empfand eine unvermittelte Sympathie für dieses Mädchen, der auch Aminas freches Benehmen nichts anhaben konnte, und merkte immer mehr, dass es ihrem Verhältnis zugute kam, wenn sie bei ihren Entscheidungen blieb und sich nicht allzu nachgiebig zeigte.
Eines Tages gelang es Amina nach langem Drängeln, Adhara
dazu zu überreden, die echten Schwerter zur Hand zu nehmen.
Alle Versuche, sie davon abzubringen, waren gescheitert. »Die Klingen sind scharf, wir werden uns verletzen.«
»Dann müssen wir eben aufpassen.«
»Das sind wirklich keine Spielzeuge.«
»Nur ganz kurz, versprochen! Ich habe ja sogar schon Unterricht mit einem echten Schwert. Was soll also dabei sein? Und so ein großer Unterschied zu den Holzschwertern ist das auch nicht.«
So hatten sie einander gegenüber Aufstellung genommen, Adhara in der klaren Absicht, ausschließlich die Angriffe der Gegnerin zu parieren. Sie erinnerte sich nicht, je eine militärische Ausbildung genossen zu haben, doch die Selbstverständlichkeit, mit der sie die Waffe hielt, ließ sie vermuten, dass sie alles andere als eine Anfängerin war.
Mit feurigem Blick stürmte Amina wie eine Furie los, offensichtlich entschlossen, tatsächlich ernst zu machen.
Adhara hingegen vertraute, wie immer, ihrem Körper, der für
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