Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
wissen.«
Und so geschah es.
Die Falltür wurde aufgestoßen, und Dubhes Leichnam hinauf auf die Terrasse der Turmspitze gestemmt. Der Priester hatte gute Arbeit geleistet. Es war der Leichnam einer Königin und Kriegerin, der Leichnam eines großen Feindes.
»Hängt sie mit dem Kopf nach unten an der Balustrade auf!«
Die Soldaten gehorchten, während Kryss langsam die Stufen nach unten nahm, wieder alle Stockwerke der Stadt durchlief und sich an den Klängen und Düften des Festes berauschte.
Das Licht der untergehenden Sonne entflammte die Steppe, und ganz oben, vom Wind leicht bewegt, schaukelte die Leiche an der Turmspitze.
»Dort soll sie hängen bleiben, solange es geht. Und schickt Boten zu unseren Feinden aus, damit alle erfahren, dass ihre Königin tot ist und an den Zinnen meiner Stadt baumelt. All diese Würmer, alle , sollen wissen, dass mich nichts und niemand aufhalten kann, auch nicht die tapferste Kriegerin«, sprach er. »Das Land des Windes ist nur der Anfang«, setzte er dann murmelnd hinzu. »Nur der Anfang.«
Noch am selben Abend suchte San den König auf.
Kryss hatte im Haus des Stadtältesten von Salazar sein Quartier aufgeschlagen. Es war eine geräumige, aber schlichte Unterkunft. Fünf große Räume, dazu einige kleinere Kammern für die Dienerschaft und eine Küche. Das wenige Mobiliar war einfach und schmucklos: einige Holztische, sowie schwere Truhen voller Kleider und Hausrat. Der Empfangssaal wies einen großen, vom langen Gebrauch eingeschwärzten Kamin auf. Kryss hatte alle Möbel fortschaffen lassen, auch das schwere, mit Schnitzereien verzierte Mahagonibett, und es durch die Pritsche ersetzt, auf der er in seinen Feldlagern immer schlief.
San fragte sich, inwieweit diese Haltung spontan war und wo das Kalkül begann. Er hatte noch nie jemanden erlebt, der es so meisterhaft wie Kryss verstand, sich bei den Untertanen beliebt zu machen. All das schien keine Pose zu sein: die Tränen, die er über das Schicksal seines Volkes vergossen hatte, waren echt, und seine Ablehnung von Luxus spiegelte seine wahre Lebenseinstellung wider. Aber er war auch ein Herrscher, der sich seiner Ausstrahlung bewusst war und sie für sich nutzte.
Schließlich hatte er es geschafft, sein Volk in einen Krieg hineinzuziehen, dessen Sinn San immer noch nicht vollkommen verstand. Im Grunde brauchten die Elfen all diese Gebiete nicht, sie lebten mehr als anständig in den Unerforschten Landen. Und die Armut, die ihnen zu schaffen machte, lag eher in der politischen Herrschaft als im Fehlen natürlicher Ressourcen dieser Lande begründet.
Doch mittlerweile kannte er Kryss sehr genau. Er mied die Zurschaustellung, weil ihn nur eins interessierte: die Macht als Selbstzweck. Dieser Feldzug, dieser Eroberungskrieg, war ein Beweis seiner unumschränkten Macht. Alles in seinem Leben war auf dieses Prinzip zurückzuführen, von der Entmachtung seines Vaters bis zu dieser letzten Entscheidung, die tote Königin an den Zinnen Salazars aufzuhängen.
San hatte sie eine Weile betrachtet, bevor er den Turm hinaufstieg, und dabei festgestellt, dass er keinerlei Mitleid für sie empfand. Sie war auch nur eines der unzähligen Opfer auf dem Weg, der ihn endlich zu seinem Ziel führen würde.
Kryss trat aus dem Halbdunkel seiner Unterkunft. Er schien überrascht. »Warum feierst du nicht mit den anderen?«, fragte er San.
»Ich habe nichts zu feiern«, antwortete dieser. »Noch nicht.«
Der König durchquerte den Raum und goss sich aus einem Krug, der auf einer Truhe stand, Wasser in einen Becher. Mit kleinen Schlücken trank er und schaute dabei hinaus. Ein prächtiger Mond mit scharf umrissenen Kanten stand am eiskalten Himmel.
»Seit Kindertagen habe ich mir diesen Ort immer wieder vorgestellt. Und jetzt erscheint er mir noch schöner, als er in den Heldengeschichten beschrieben ist.«
»Das liegt nur am Mond. Solch schöne Nächte habe ich auch schon im Land der Tränen erlebt.«
»Mag sein. Aber dies hier ist der Mond unserer Heimat. Unseres wahren Zuhauses.«
»Du weißt, warum ich hier bin«, ging San nicht darauf ein.
Kryss nahm noch einen Schluck Wasser und sah San dann lange an.
»Ich habe nicht die Absicht, dir noch länger zu dienen«, fuhr dieser fort, »es sei denn, ich erhalte endlich, was du mir versprochen hast. Wenn ich nicht heute Abend noch den Magier treffen kann, von dem du sprachst, gehe ich meiner Wege. Und Amhal nehme ich mit. Dann ist es um deine Pläne geschehen.«
Kryss
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