Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
den Augenblick erkennen, an dem er sich auf den nächsten, für ihn logischen Schritt vorbereitet. Er wird das Schiff seines eigenen Bruders beschlagnahmen. Dazu hat er als Quorumsfürst das Recht. Aber nicht einmal die größte brüderliche Zuneigung würde eine solche Tat unbeschadet überstehen. Und ich kann nicht dabei zusehen, wie Hector dieses Opfer bringt. Nicht für mich.
Er öffnet schon den Mund, um den entsprechenden Befehl zu geben, aber ich komme ihm zuvor. » Könnt Ihr Eure Fracht in Puerto Verde verkaufen?«
Hector klappt den Mund zu und starrt mich an. Ich versuche mich an einem, wie ich hoffe, kaum wahrnehmbaren Kopfschütteln. Bitte, tut es nicht.
» Ja«, antwortet der Kapitän. » Aber wir würden dort nur den halben Preis bekommen. Die höchsten Summen zahlen nun einmal die Orovalleños.«
Die Erwähnung meiner Heimat weckt ein Lächeln in mir. » Daran zweifle ich nicht. Ventierra-Weine waren am Hof meines Vaters sehr beliebt. Könnten wir uns vielleicht hinsetzen?«
» Gern«, sagt er und macht eine entsprechende Geste. » Wo es Euch beliebt.«
Ich lasse mich auf das nächstbeste Kissen sinken und sage: » Bis Orovalle und zurück ist es eine lange Reise. Da kommt Ihr in die Zeit der Hurrikane hinein.«
Er grinst; er hat begriffen, dass wir jetzt zu handeln beginnen. » Das ist einer der Gründe, aus denen ich das Leben eines Seefahrers liebe«, sagt er. » Habt Ihr nicht auch festgestellt, Euer Majestät, dass Ihr Euch in den Augenblicken, in denen Ihr dem Tod ganz nahe seid, besonders lebendig fühlt?«
» Das würde mir nicht auffallen.«
Seine Augen werden groß. Er hatte erwartet, mich mit einer Anspielung auf die Anschläge auf mein Leben zu verunsichern.
» Ich bin dem Tode immer nahe. Seit ich den Palast meines Vaters verließ, bin ich dem Tod öfter, als ich zählen kann, im letzten Augenblick entgangen. Und ich bin eine Trägerin, was bedeutet, dass ich wahrscheinlich jung sterben werde. Daher, seht Ihr«, ich zucke scheinbar gleichmütig die Achseln, » merke ich da keine Unterschiede.«
Sein Bart lässt nicht erkennen, ob sich seine Lippen kräuseln, aber die Fältchen um seine Augen verraten seine Erheiterung. » Was schlagt Ihr also vor?«
Ich habe eine gewisse Vorstellung von ihm und von seinem Charakter. Welcher Mann gibt das angenehme Leben als Sohn eines Condes auf, um sich aufs offene Wasser zu begeben? Welcher Mann opfert seine Jugend der endlosen Sonne und dem endlosen Wind und schenkt dem Meer seine Finger? Jemand, der die Weite und die Gefahr liebt, darauf wette ich meine Feuersteinkrone. Jemand, der es nicht erwarten kann herauszufinden, was hinter dem Horizont liegt.
» Meine Ehre verpflichtet mich, Euch davor zu warnen«, sage ich, » dass unsere Reise gefährlich ist und dass ihr Ziel noch im Dunkeln liegt.«
Und ja, jetzt hebt sich eine Augenbraue, und der Gesichtsausdruck ist so vertraut, mir so lieb und teuer, dass ich nur mit Mühe ein Lächeln unterdrücken kann. » Aha?«, erwidert er fragend.
» Ich brauche einen Kapitän und eine Mannschaft, denen ich unbedingt vertrauen kann. Denn es ist eine geheime Fahrt. Abgesehen von den hier Anwesenden weiß nur eine kleine Handvoll Leute von der Absicht, die wir damit verfolgen.«
Er hebt das Kinn und betrachtet mich unter gesenkten Lidern. » Ich würde vermuten, dass man für ein solches Unterfangen bereit sein müsste, den höchsten Preis zu zahlen.«
» Ich vermute vielmehr, dass die Diskretion, die ich brauche, für kein Geld der Welt erkauft werden kann. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
Seine Augen glühen, und fast läuft ihm buchstäblich das Wasser im Mund zusammen, so neugierig ist er auf das, was ich ihm gleich anbieten werde. Gut. » Lasst uns mit meiner verlorenen Ladung anfangen. Ich müsste für den Verlust angemessen entschädigt werden.«
Ich nicke. » Das ist nur fair.«
» Und ich brauche zusätzliche Vorräte.«
» Ihr braucht dieselben Vorräte wie für die Reise nach Orovalle«, widerspreche ich. » Ihr fahrt lediglich in eine andere Richtung.«
» Ich brauche eine Entschädigung für die Gefahr, von der Ihr sprecht, und um die Treue meiner Mannschaft zu garantieren.«
» Die Besatzung fühlt sich also dem Geld verpflichtet und nicht Euch?«
» Meine Leute sind mir treu, weil sie wissen, dass ich zu meinem Wort stehe, sie gut zu bezahlen. Habt Ihr Geld, das Ihr mir geben könnt?«
Ich zögere.
Er wirft Hector einen kurzen Blick zu, dann hebt er die Hände in
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