Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Kontrast zu dem blauen Stoff. Mein rechter Daumennagel ist nicht ganz gerade, weil ich gelegentlich daran kaue. Ich hätte ihn mir von Mara feilen lassen sollen.
Endlich antwortet Hector: » Er hat in jungen Jahren geerbt, nachdem sein Vater bei einem Reitunfall starb. Er steht in dem Ruf, intelligent und charmant zu sein. Die Damen am Hof betrachten ihn als recht schneidig. Mehr kann ich nicht sagen.«
Seine Stimme klingt so angespannt, dass ich nun doch den Kopf hebe und versuche, aus seinem Gesicht schlau zu werden. Wir sehen uns eine ganze Weile an.
Dann ertrage ich die Stille nicht länger und fühle das Bedürfnis, mich zu erklären. » Ich weiß, ich sollte zum Wohle Joya d’Arenas heiraten, ohne dass meine eigenen Gefühle dabei eine Rolle spielen. Von daher ist es dumm zu glauben… aber ich kann nicht umhin… Ich hoffe trotzdem, dass ich einen guten Mann heiraten kann. Wie Alejandro. Ich weiß, er hat mich nicht geliebt, aber er war mein Freund.« Der Seufzer, der sich mir nach diesem Satz entringt, klingt fast wie ein Schluchzen.
Etwas blitzt in seinen Augen auf– vielleicht Mitleid–, und er nimmt meine Hand. Sein Daumen fährt über meine Knöchel, als er mit rauem Flüstern sagt: » Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Mann in ganz Joya gibt, der für unsere Königin gut genug wäre. Aber wenn ein solcher Mann existiert, dann werden wir ihn finden, das schwöre ich.«
Ich muss schlucken. » Danke.«
In diesem Augenblick stürmt der Haushofmeister durch die Tür. Hector lässt meine Hand los und nimmt hastig Haltung an.
» Euer Majestät!«, keucht der Haushofmeister. » Er ist da! Lo Chato aus dem Sumpfviertel! Wollt Ihr ihm immer noch sofort eine Audienz gewähren? Auf Eurem Plan stünde eigentlich Lady Jada. Ich könnte sie bitten zu warten.«
Erschrocken zucke ich zusammen, wobei sich meine Krone lockert, die mir nun die Stirn hinunterrutscht. Ich nehme sie ab und verziehe das Gesicht vor Schmerz, als ich mir dabei wieder einige Haare ausreiße. » Ist Lo Chato allein gekommen?« Schon allein bei der Nennung des Namens überfällt mich ein Schauer.
» Jawohl, Euer Majestät.«
Die Krone stelle ich an den Rand meines Schreibtisches. Ich hasse es, dass ich nicht groß genug bin, nicht stark genug, um sie zu tragen. » Dann schickt ihn herein«, flüstere ich.
Er verneigt sich und verlässt das Amtszimmer.
» Seid bereit«, sagt Hector zu den Leibwächtern, und Hände greifen zu den Waffen, Augen gleiten zur Tür. Mit einem metallischen Zischen zieht Hector seine Eisenfaust-Dolche. Eine kluge Wahl, da ihm seine Position zwischen meinem Schreibtisch und der Wand kaum genug Platz lässt, ein Schwert zu schwingen.
Der Haushofmeister tritt ein und verkündet knapp und formell: » Euer Majestät, Lo Chato aus dem Sumpfviertel.«
Eine Gestalt gleitet ins Zimmer. Der Mann ist unglaublich groß, und er trägt einen langen schwarzen Mantel mit weiter Kapuze, die sein Gesicht in Schatten hüllt. Er fällt auf ein Knie, beugt den Kopf und wartet schweigend.
» Erhebt Euch«, sage ich und hoffe, dass er das Zittern in meiner Stimme nicht bemerkt. Ich lege eine Fingerspitze auf den Feuerstein und hoffe auf einen kleinen Strom Wärme oder vielleicht auch Kälte– irgendetwas, das mir zu erkennen hilft, ob der Mann vor mir ein Freund oder ein Feind sein mag. Aber ich fühle nichts.
Der Mann mit der Kapuze richtet sich auf.
» Schlagt Eure Kopfbedeckung zurück.«
Er hebt die Hände, und ich weiß bereits, was er enthüllen wird, noch bevor er den Stoff von seinem Kopf zieht– die Blässe der Haut seiner Hände, die übernatürliche Eleganz seiner Bewegungen lassen keinen Zweifel zu.
Augen so grün wie Moos, ein Gesicht mit so zarten Zügen, dass es geradezu katzenhaft wirkt, hüftlanges Haar von sirupgoldener Honigfarbe.
Nur den Bruchteil einer Sekunde später haben ihn die Wächter mit ihren Schwertern umringt. Hector tritt vor mich hin und hat die Dolche zur Verteidigung erhoben.
Der Mann vor mir hat die Haltung eines Animagus. Durch meinen Unterarm pocht der Phantomschmerz, mit dem sich die Klauen eines Hexenmeisters in meine Haut bohren, und ich starre auf seine Hände und erwarte, krallenartige Spitzen in seine Nägel eingebettet zu sehen.
Seine Nägel sind gesprungen und schmutzverkrustet, aber ohne Krallen. Und im Gegensatz zu den schon beinahe unheimlich perfekten Animagi, denen ich bisher gegenüberstand, zeigt seine Stirn leichte Falten, an der Nase ist die Haut an einer
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