Die Feuertaufe
mir einfach nur meine Kleine zurück! Lebendig. Glücklich. Unverletzt.
»Mikey?« Alice blickte den Prinzen an. Ihre Hände berührten immer noch die Instrumententafel, doch jetzt bewegten sich ihre Finger nicht mehr. Es wäre auch egal gewesen, wenn sie sich anders verhalten hätte. Bevor sie den Liegeplatz der Banshee erreichten, hatte Michael ein bisschen Technik-Zauberei betrieben. Derzeit hatte das Schiff keinerlei Kontakt mehr mit der Außenwelt, doch eine eigens dafür eingerichtete Datenschleife ließ es gänzlich anders erscheinen.
Judith hatte keine Ahnung, wie Michael dieses Kunststück fertiggebracht hatte, doch sie glaubte ihm, dass zumindest im Augenblick Alice völlig von der Außenwelt abgeschnitten war.
»Ist sonst noch jemand an Bord?«, fragte Michael.
Das Bildmaterial, das Vincent ständig im Auge behalten hatte, selbst noch, während sie die Station durchquert hatten, hatte Alice alleine an Bord gezeigt. Aber es konnte ja nicht schaden, sich noch einmal zu vergewissern.
»Nein«, erwiderte Alice und klang ernstlich verwirrt. »Mikey? Was ist denn los? Wer ist diese Frau? Warum hat deine Leibwache die Hand an der Waffe? Was machst du überhaupt hier?«
Mittlerweile hatten alle drei die geräumige Kabine des Schiffes betreten. Die Banshee war ein wenig größer als die Ogapoge , doch davon abgesehen waren die beiden Schiffe einander recht ähnlich. Hinter dem Cockpit standen einige bequeme Sessel, eingezwängt zwischen der Luke und dem ebenso beengten Maschinenraum. Dazwischen befand sich auch noch ein kleiner Frachtraum, doch dessen Zugangsluke stand offen, und man konnte deutlich erkennen, dass sich keinerlei Fracht mehr an Bord befand. Trotzdem spähte Judith hinein; sie suchte nach irgendeinem Indiz dafür, dass sich Ruth an Bord befunden hatte. Doch sie fand nichts.
»Diese Frau ist meine liebe Freundin Judith Newland«, erklärte Michael. »Wir sind hier, weil ihre Tochter Ruth verschwunden ist. Und wir haben Grund zu der Annahme, dass Ruth an Bord dieses Schiffes Manticore verlassen hat.«
»Was? Wie …« Alice ließ die Hände in den Schoß fallen und starrte zu Michael empor. Der Unglaube in ihrer Miene verblasste und wich etwas gänzlich anderem. »Sprich weiter! Erzähl schon! Rasch!«
Das tat Michael. Judith wusste, dass er diverse Holoaufzeichnungen griffbereit hatte, sollte Alice Belege für seinen Bericht verlangen. Doch die junge Frau hörte dem Kronprinzen nur schweigend zu und kniff dabei konzentriert die Augen zusammen. Es entging Judith nicht, wie viel Intelligenz Alice’ Augen verrieten.
»Dann durchsucht das Schiff«, sagte sie und deutete mit einer Hand in Richtung Kabine und Frachtraum gleichermaßen. »Aber ihr werdet nichts finden.«
»Dann glaubst du mir?«, fragte Michael nach.
Judith hörte zu, während sie langsam an der Sitzreihe entlangging.
»Aber ja«, gab Alice zurück. »Meine Eltern haben sich in letzter Zeit ziemlich sonderbar verhalten. Mein Dad hat darauf bestanden, dass ich ihn heute zum Mount Royal Palace begleite. Er hat mir erzählt, er hätte auf dem Korridor meinen alten Klassenkameraden, den Prinzen, gesehen, und gemeint, es wäre doch nett, wenn ich eine alte Freundschaft wieder aufleben lassen würde. Ach was, er hat es mir praktisch befohlen und mich auf den Korridor hinausgeschickt! Er hat mich sogar noch ausdrücklich daran erinnert, dass man dich jetzt nicht mehr ›Mikey‹ nennen darf. Dann hat er mich mit der Cormorant fortgeschickt, nur um mir dann zu sagen, ich solle sie im Dock stehen lassen und mit der Banshee runter nach Choire Ghlais fahren. Keine Erklärung, kein gar nichts – nur ein ›Tu’s einfach!‹. Da war mir schon ziemlich klar, dass er irgendetwas im Schilde führt. Aber mit so etwas hätte ich nie im Leben gerechnet!«
»Also traust du ihm zu, eine Entführung zu planen?«
»Wenn er fest davon überzeugt ist, das diene dem öffentlichen Wohl, dann ja«, antwortete Alice sofort. »Wenn er glaubt, auf diese Weise das Sternenkönigreich wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Und dabei würde dann eine Tochter auch noch zu ihrem leiblichen Vater zurückgebracht. Ja, doch, das traue ich ihm durchaus zu! Es ist natürlich ganz offensichtlich, dass sie – Mom und Dad, meine ich – die Denkart der Graysons ganz gewaltig falsch einschätzen, wenn sie wirklich glauben, so etwas hätte den von ihnen gewünschten Effekt. Aber eigentlich überrascht mich das nicht. Beide sind wirklich gut, wenn es darum geht, in
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