Die Feuertaufe

Offiziere auf dem Korridor standen, um ihn zur Ogapoge zurückzugeleiten.
    Hinter sich hörte Michael, wie Alice bereits Kontakt mit der Cormorant aufnahm. Auf visuelle Datenübertragung verzichtete sie dabei. Im Augenblick erklärte sie ihrem unbekannten Gesprächspartner gerade, dass sie zusätzliche Versorgungsgüter bringen würde, die die Cormorant noch aufzunehmen habe. Die Art und Weise, wie sie ihre Worte wählte, ließ es wirken, als stünde der Mannschaft eine Belohnung oder ein Bonus zu. Es klang sehr überzeugend. Michael war ernstlich beeindruckt.
    Todd und seine Begleiterin benötigten keine weiteren Einweisungen. Weitere Gespräche würden sie jetzt nur noch aufhalten. Da weder die Banshee noch die Ogapoge hyperraumtüchtig war, mussten sie die Cormorant unbedingt abfangen, bevor diese mit der Kwahe’e zusammentraf.
    Als Todd an Michael vorbeiging, gab er seinem Freund einen festen Klaps auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen, alter Stubengenosse! Ich passe schon auf sie auf!«
    Seine Worte waren beinahe unhörbar leise. Michael war ihm sehr dankbar. Er wusste, dass Todd wirklich meinte, was er sagte, und er wusste auch, dass Todd gerade eben genau das eingestanden hatte, was Michael sogar sich selbst gegenüber so lange hatte leugnen wollen.
    Er liebte Judith Newland. Sollte ihr irgendetwas zustoßen, dann würde sich das Universum in einen unendlich finsteren Ort verwandeln, und alle Sonnen des Alls würden nicht mehr genug Licht spenden, um ihn jemals wieder aufzuhellen.
    Judith schaute zu, wie Michael von Bord der Banshee ging. Ihr Eifer, endlich Ruth wiederzufinden, rang in ihrer Brust mit einer gewissen Beklommenheit. Entschlossen wandte sich Judith ab, nahm in der vordersten Sitzreihe Platz und schnallte sich an.
    Alice hatte vorgeschlagen, Todd solle den Posten des Piloten übernehmen.
    »Ich möchte die Bewegungen der Cormorant im Auge behalten können. Zugleich möchte ich auch nach der Kwahe’e Ausschau halten. Es steht zu hoffen, dass sie sich weit außerhalb des Systems befindet, aber verlassen sollten wir uns darauf nicht.«
    »Gut«, bestätigte Todd. »Sie sind der Captain. Rufen Sie mich, sobald Sie mich brauchen oder ich den Kurs ändern soll!«
    Mittlerweile hatte Judith schon zwei Jahre auf Manticore verbracht, doch die Gelassenheit, diese Selbstverständlichkeit, mit der die Männer dieser Welt nicht nur mit Frauen zusammenarbeiteten, sondern sogar in deren Auftrag tätig waren und sich ihnen entsprechend unterordneten, überraschte sie immer noch jedes Mal wieder aufs Neue. Die Männer von Grayson behandelten ihre Frauen ungleich besser, als das bei den Masadanern der Fall war, doch auch auf Grayson galten die Frauen immer noch als das »schwache Geschlecht«.
    Sollen die Männer doch mal versuchen, ein Kind zur Welt zu bringen! , ging es Judith durch den Kopf. Einen winzigen Moment lang flammte in ihr wieder dieser unbändige Hass auf, der sie seinerzeit dazu gebracht hatte, von Masada zu fliehen. Die sollten mal spüren, wie es ist, seine Tage zu haben. Die sollten selbst mal Tag und Nacht hinter schreienden kleinen Kindern herlaufen und jeden Tag aufs Neue tausend Krisen bewältigen, jedes Problem lösen, von medizinischen Notfällen bis zu diplomatischen Schwierigkeiten – nur eine Woche lang. Und dann schauen wir doch mal, ob die immer noch meinen, Frauen seien schwach!
    Doch lange hielt dieser Zorn nicht an. Todd verhielt sich Alice gegenüber nicht herablassend, betonte nicht einmal, dass er immerhin Offizier der Navy war, sie hingegen »nur« eine Zivilistin. Er erkannte einfach an, dass Alice über Erfahrung verfügte, also konnte sie auch das Kommando übernehmen. Ebenso hatte Vincent Valless Judith sein weibliches Gegenstück Galina Caruso vorgestellt, ohne auch nur anzudeuten, sie sei eben doch etwas anderes als ein »echter« Offizier des Sicherheitsdienstes.
    Hör endlich auf damit! , schalt sich Judith innerlich. Konzentrier dich lieber ganz auf das, was hier wirklich wichtig ist! Sie beugte sich ein wenig vor, um besser das kleine Drama mitzuverfolgen, das sich gerade zwischen Alice und der Cormorant abspielte.
    Die Cormorant hatte Alice’ Com-Nachricht bestätigt – allerdings war deutlich, dass man an Bord des anderen Schiffes skeptisch war. Ganz besonders schien die Entführer zu beunruhigen, dass diese Fremde sich an Bord genau des Schiffes befand, das sie selbst doch gerade erst verlassen hatten. Doch es war Alice gelungen, genau im richtigen Maße