Die Feuertaufe
sehnlichst, sein Gesprächspartner würde nicht immer wieder dieses alte, heikle Thema anschneiden. Seine Rolle bei diesem Debakel hatte ihm seinerzeit höchstwahrscheinlich schon längst ein äußerst unschönes Urteil eingebracht – Tod unter der Folter. Deswegen hatte Charles ja auch so lange gewartet, bevor er sich wieder auf Havie-Territorium gewagt hatte.
Andererseits war vermutlich genau dieses Todesurteil der Grund, weswegen Saint-Just dieses Thema wieder und wieder aufs Tapet brachte. Zum Feilschen gehörten schließlich zwei. »Sie haben damals versucht, die Mantys zu ärgern, indem Sie mit einem aufgebrachten Schiff der Andermaner ihren Handelsverkehr störten«, fuhr er fort. »Ich hingegen schlage jetzt vor, die Mantys gänzlich aus dem Konzept zu bringen, indem man die Andermaner dazu bringt, ihnen den Krieg zu erklären.«
»Ach, tatsächlich«, merkte Saint-Just an. Er klang immer noch gänzlich tonlos, doch zum ersten Mal sah Charles echtes Interesse in diesen eiskalten Augen aufblitzen. »Der Kaiser scheint Manticore durchaus gewogen.«
»Ich denke, da kann ich ihn umstimmen«, versetzte Charles. »Sind Sie interessiert?«
Einen Moment lang blickte Saint-Just ihn nur schweigend an. Dann schenkte der seinem Gegenüber ein dünnes Lächeln und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Sprechen Sie weiter«, forderte er ihn auf.
Charles hatte den Plan zweimal vollständig durchdacht, und nun suchte er nach einer dritten Möglichkeit, das gewünschte Ziel zu erreichen. Doch dann hob Saint-Just unvermittelt die Hand. »Genug«, sagte er forsch. »Colonel?«
Charles legte die Stirn in Falten; doch bevor er noch irgendetwas sagen konnte, spürte er das Kribbeln von Hypospray in seinem Nacken. Er wandte den Kopf zur Seite; plötzlich nahm Charles seine Umwelt nur noch verschwommen wahr.
Kurz sah er noch das ernste Gesicht seines Verhörleiters, dann hüllte ihn Dunkelheit ein.
Als er zu sich kam, lag er in einem Krankenbett. Der Verhörleiter saß neben ihm und betrachtete ihn so, wie man ein ganz besonders widerlich aussehendes Insekt betrachten mochte, kurz bevor man einen schweren Stein darauf fallen ließ.
Doch statt der grauen Zivilkleidung, die der Verhörleiter in der Vernehmungszelle getragen hatte, trug er nun die Uniform eines Colonels der Systemsicherheit in all ihrer Pracht. Auf dem kleinen Namensschild über der Brusttasche stand Mercier .
»Ich gratuliere zu Ihrer Beförderung«, brachte Charles mit staubtrockener Kehle hervor.
»Lassen Sie mich zwo Dinge unmissverständlich klarstellen«, sagte Mercier und ignorierte Charles’ Versuch, Höflichkeiten auszutauschen. »Sie sind nur noch aus einem einzigen Grund am Leben: Bürger Minister Saint-Just denkt, Sie könnten uns nützlich sein. Die Einschätzung, ob Sie diesem Potenzial tatsächlich gerecht werden, obliegt alleine mir.« Seine Augen blitzten auf. »Und nur, um das mal festzuhalten: Captain Vaccares war ein guter Freund von mir. An Captain Vaccares erinnern Sie sich doch gewiss noch, oder?«
Charles’ Kehle wurde noch ein wenig trockener. Vaccares war der Captain eines der unglückseligen Havie-Schiffe während des Crippler-Schwindels gewesen. »Ich erinnere mich sogar sehr gut an ihn«, sagte er. »Und ob das nun noch etwas nutzt oder nicht: es war nie meine Absicht, auch nur ein einziges Besatzungsmitglied Ihrer Schiffe zu Schaden kommen zu lassen.«
»Ganz offenkundig erkennen Sie ganz genau, womit der Weg, den Sie gerade beschreiten, gepflastert ist«, gab Mercier bissig zurück. Mit einer Handbewegung schloss er das ganze Krankenzimmer ein. »Möchten Sie vielleicht einmal raten, warum Sie sich hier befinden?«
Charles betrachtete den Tropf neben seinem Bett und die zahlreichen blinkenden, leuchtenden Geräte, die kontinuierlich seinen Gesundheitszustand anzeigten. »Sie brennen gewiss schon darauf, es mir gleich zu verraten.«
»Eine interessante Wortwahl«, gab sein Gegenüber zurück. »Man hat Ihnen ein langsam arbeitendes Giftreservoir implantiert. Sehr unschönes Zeug! So unschön, dass Sie, wenn Sie nicht alle zwölf Stunden einen Milliliter eines ganz bestimmten Gegengiftes erhalten, einfach sterben werden.« Er griff in die Tasche seiner Uniformjacke und zog ein kleines metallenes Fläschchen hervor. »Dieses Gegengift, um genau zu sein.«
»Und zweifellos obliegt es Ihnen, mir dieses Gegengift zu verabreichen?«
»Ganz genau«, bestätigte Mercier. »Wenn Sie versuchen, an Ihrer Leine zu zerren –
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