Die fiese Meerjungfrau
Stimme wiederzuerlangen, gab sie Levanna und mir die Schuld an dem, was vorgefallen war.« Lannadae sprach nicht länger in dem formellen Rhythmus, den sie bei ihrer Geschichte eingesetzt hatte; sie klang jetzt viel jünger. »Sie bewegte sich so schnell!«
Danielle schloss die Augen, denn sie erriet, was als Nächstes kommen würde.
»Wir hatten jede einen Krieger, der uns vor den Gefahren des Meeres beschützte. Lirea sagte, sie röche einen Hai in der Nähe. Sobald die Wachen ihre Aufmerksamkeit woandershin richteten ...« Lannadae fing an zu zittern. »Bis sie Lirea wegzerrten, war Levanna schon tot. Lirea stach mit diesem Messer auf sie ein, wieder und wieder, bis das Blut das Wasser trübte und sie beide in Schatten verwandelte.«
»Trotz all ihrer seelischen Erschütterung hatte dein Vater zugelassen, dass sie das Messer behielt?«, wunderte sich Talia.
»Würdest du unbewaffnet im tiefen Ozean schwimmen?«, antwortete Lannadae mit einer Gegenfrage. »Würdest du das Leben einer der zukünftigen Herrscherinnen deines Stammes aufs Spiel setzen? Ein Undinenkind bekommt sein erstes Messer, sobald seine Finger stark genug sind, das Heft zu halten.«
»Es tut mir so leid!«, sagte Danielle. »Du musst wahnsinnige Angst gehabt haben.«
»Was wurde aus Morveren?«, wollte Talia wissen.
»Unser Vater verbannte sie nach Levannas Tod.« Erneut verschwand Lannadae unter der Wasseroberfläche. Während sie in Luft und Wasser gleichermaßen gut atmen zu können schien, schien das Wasser sie zu beruhigen. Ein paar Momente später tauchte sie wieder auf. »Er hatte Morveren befohlen, den Zauber rückgängig zu machen, aber Lirea ließ sie nicht an sich heran. Sie drohte, sich eher umzubringen als sich von Morveren anfassen zu lassen. Mittels eines Zaubers versetzte Morveren Lirea in Schlaf, dann brachte sie sie zu sich nach Hause, um ein letztes Mal zu versuchen, sie zu retten. Lirea schüttelte den Zauber ab; sie griff Morveren an und floh dann zu unserem Vater und bat ihn um Schutz.«
Wieder stöhnte Lannadae, doch ein funkelnder Blick von Talia ließ sie sich rasch eines anderen besinnen.
»Er schickte Morveren wegen ihrer Verbrechen fort«, sagte Lannadae. Leiser fügte sie hinzu: »Ich hätte bei ihm bleiben sollen.«
»Du hattest Angst«, sagte Danielle sanft. »Er wollte, dass du in Sicherheit bist.«
Talia watete näher heran. »Weißt du, wo Morveren hinging?«
»Es ist mehrere Tagesreisen nördlich von Lorindar, da, wo die nördlichen und südlichen Strömungen zusammentreffen und der Geschmack des Wassers bitter vom Seetang wird.«
»Irgendwie glaube ich nicht, dass unsere Karten den Geschmack des Ozeans verzeichnen«, meinte Schnee.
»Ich kann euch den Weg zeigen. Ich habe einmal versucht, zu ihr zu kommen, um sie um Hilfe zu bitten. Das Meer wurde stürmisch, und die Wellen warfen mich gegen die Felsen.« Lannadae senkte die Stimme. »Lirea weiß, dass ich hier bin, nicht wahr? Deshalb hat sie Beatrice angegriffen. Sie wird nach mir suchen.«
Wäre Lannadae ein Mensch gewesen, hätte Danielle sie in die Arme genommen, aber sie war sich nicht sicher, wie Undinen einander Trost spendeten. Lannadae war kaum mehr als ein Kind. Danielle kannte den Schmerz, eine Familie zu verlieren, aber sie auf diese Art zu verlieren ... Sie konnte verstehen, wieso Beatrice Mitleid mit Lannadae bekommen hatte. »Wir werden aufpassen, dass dir nichts passiert. Versprochen!«
»Und wie willst du das anstellen?«, erkundigte sich Talia.
»Indem wir Morveren finden«, sagte Danielle. »Sie kann uns möglicherweise helfen, Lirea aufzuhalten.«
»Vorausgesetzt, Lirea hat sie nicht schon aufgespürt und auch umgebracht«, murmelte Talia.
Danielle warf ihr einen wütenden Blick zu. »Wir brechen morgen auf. Ich werde Armand bitte, die Glaspantoffel seeklar zu -«
»Nein!«, widersprach Schnee. »Sag ihm, wir nehmen die Phillipa.«
Danielle schnürte es die Kehle zu. »Ist das nicht das Schiff der Königin?«
»Und darüber hinaus das schnellste Ding im Hafen.« Schnee lächelte. »Und ich vermute, Kapitän Hephyra wird einer Undine auf ihrem Schiff etwas toleranter gegenüberstehen als die meisten anderen Kapitäne.«
Talia, die schon in Richtung Treppe unterwegs war, blieb stehen. »Kommt ihr zwei jetzt, oder erwartet ihr von mir, dass ich für uns alle packe?«
Kapitel 4
Während des letzten Jahres hatte Danielle hart an sich gearbeitet, um mit den Gewohnheiten ihres früheren Lebens zu brechen. Noch Monate,
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