Die fiese Meerjungfrau
sie einer brauchbaren Antwort nahegekommen, als ein Mann geäußert hatte, dass Robson gesehen worden war, wie er Lieferungen an den Palast getätigt hatte.
Er runzelte die Stirn. »Nicht an die Königin, nein. Da war eine Frau, die vor einem Monat oder so zu mir kam und nach einem Fass lebender Hummer verlangte. Sie sagte nicht, für wen es war, aber sie war zu gut angezogen, um eine Bürgerliche zu sein. Prächtige Augen, Lippen rot wie Blut. Kesses Mädchen. Wäre ich nicht verheiratet, ich hätte sie -«
»Wofür wollte sie den Hummer?«, fragte Lirea.
»Kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine so feine Dame was so Derbes isst. Den Bürgerlichen schmecken sie ja, aber mich würdest du nie dabei ertappen, dass ich Meereskakerlaken esse, die sich von irgendwelchem Zeugs auf dem Grund ernäht haben.«
»Wo hast du sie hingeliefert?«
»Zum Boot der Dame.« Er kratzte sich am Kinn. »Ich nehme an, sie könnte eine Schiffseigentümerin gewesen sein, die Lebensmittelvorräte für ihre Besatzung anlegt. Allerdings wär Hummer eine sonderbare Wahl für eine Seereise, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Schiffshalterin ihr Boot selbst durch die Gegend rudert.«
Lirea stand auf. »Danke.«
»Lannadae wird dich umbringen«, meinte er beiläufig.
Lireas Hand fuhr zum Messer. »Was hast du gesagt?«
»Sachte, Mädchen! Ich hab nur gefragt. Wieso dieses Interesse an Hummern?«
»Ich dachte, du hättest gesagt ...« Lirea schloss die Augen und versuchte, die Stimmen in ihrem Kopf auszusperren. Ein einfacher Fischer würde Lannadaes Namen nicht kennen.
Die Unterhaltungen in der Schenke waren lauter geworden. Sie hörte jemand anders ihren Namen erwähnen, aber als sie sich umdrehte, schien niemand in ihre Richtung zu schauen.
»Du solltest sie alle töten, bevor sie dich töten.« Robsons Stimme war ein Chor, der sie verhöhnte. »Nimm deinen Platz als Herrscherin zu Land und zur See ein!«
»Nein!« Lirea wich zurück. Seine Worte klangen echt, aber er konnte nicht wissen, wer sie war. Ihr Verstand musste ihr einen Streich spielen!
»Gib's doch auf, Kind!« Die Worte passten nicht mehr länger zu Robsons Mundbewegungen. Was sagte er gerade tatsächlich? Andere Menschen fingen zu gaffen an. »Du wirst sie niemals finden!«
Lirea hielt den Atem an, bis das Stampfen ihres Blutes die Stimmen zurückdrängte. Sie stierte Robson an und sagte: »Lannadae ist hier!«
Er schüttelte den Kopf. »Wer ist das?«
Ihre Schwester war bestimmt hungrig gewesen, als sie aufgewacht war, und sie hatte schon immer eine Schwäche für Hummer gehabt. Keine Undine würde totes Fleisch essen, wie es die Menschen taten; nicht, wenn sie eine andere Wahl hatte. »Wo hat die Frau deinen Hummer hingebracht? War eine Undine bei ihr? Eine Meerjungfrau?«
Wieder schüttelte Robson den Kopf. »Ein Freund von mir behauptet, er habe die gefühllosen Drecksviecher letzte Nacht draußen vor dem Hafen ihre Kreise ziehen sehen.« Er kippte den Rest seines Biers runter und wischte sich das Kinn am Ärmel ab. »Manche sagen, sie hätten vor, unsere Schiffe von unten zu versenken, und dass sie uns allen den Krieg erklärt hätten. Man sollte die ganze Bande abschuppen und ausnehmen!«
»Oh, aber das würde Prinzessin Aschenputtel nie erlauben!« Ein anderer Mann kam auf den Tisch zugewankt. Er war gut gebaut und trug die gleiche dunkle Weste, die Lirea schon an einigen der Seeleute gesehen hatte. Er packte sie am Arm, zog sie nah an sich und blickte in ihr Gesicht.
Lirea hielt sich davon ab, ihr Messer unter dem Hemd herauszuholen und ihn aufzuschlitzen; stattdessen umfasste sie seine Handgelenke und stemmte seine Arme zurück. »Aschenputtel? Du meinst Prinzessin Danielle!«
»Du siehst ein bisschen aus wie sie«, sagte er. »Dieselben Augen. Dieselben Haare.«
»Wie die Prinzessin? Ich glaube, du hast heute Nacht zu viel getrunken, Kollege.«
»Nein, nicht wie die Prinzessin. Das Fischmädchen, das sie an Bord gebracht hat. Hübsches junges Ding, nackt wie ein Baby, aber knospend wie ein frischer -«
»Hüte deine Zunge vor der Dame!« Robson schickte sich an aufzustehen, aber der Matrose verpasste dem Tisch einen Stoß, dass die Kante Robson an der Hüfte traf und ihn zu Boden warf.
Lirea ergriff die Hand des Matrosen und zerrte ihn fort. Er machte Miene, sich zu widersetzen, doch dann grinste er und legte den Arm um ihre Hüfte.
»Ich heiß' Martin«, sagte er.
Lirea zog ihn auf die Tür
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