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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Kinder fühlt –, ein Spiegelbild der freudigen Rolle, die Treslove zur selben Zeit als Gatte der Frau eines anderen einnahm, auch wenn diese Frau darauf bestand, sich von ihm abzuwenden und hinter ihrem Rücken an seinem Penis herumzufummeln, als hätte sie Probleme mit einem komplizierten BH-Verschluss.
    Ehe sie gemeinsam die Toilette verließen, gab Finkler Alfredo seine Karte. »Ruf mich mal an, wenn du in der Stadt bist«, sagte er. »Oder hängst du hier noch länger fest?«
    »Scheiße, nein. Ich würde krepieren.«
    »Dann ruf mich an. Wir könnten über deinen Vater reden … oder auch nicht.«

    »Okay. Übrigens bin ich in manchen Wochen auch im Savoy und im Claridge’s – du kannst jederzeit vorbeischauen und Hallo sagen…«
    »Mit einem deiner Flittchen«, meint der kleine Lümmel, dachte Finkler. So sieht er mich von nun an. Ein Techtelmechtel mit der Manawatu-Schlucht. Das wird er mich nie vergessen lassen.
    Vor seinem geistigen Auge sah Finkler, wie er sich noch die nächsten fünfzig Jahre mit Alfredo auf Toiletten traf – bis der Junge sehr viel älter und Finkler selbst ein seniler, gebeugter Mann geworden war –, um ihm in braunen Umschlägen Bündel druckfrischer Banknoten zu überreichen.
    Sie gaben sich die Hand und lachten, beide ein wenig geschmeichelt, wenn auch skeptisch.
    Der Junge ist ein Opportunist, dachte Finkler, aber egal.
    Er denkt, ich denke, es könnte für mich von Vorteil sein, ihn zu kennen, dachte Alfredo, und vielleicht stimmt das. Aber für ihn kann es ebenso von Vorteil sein, mich zu kennen, denn von mir könnte er lernen, wie man sich eine nicht ganz so billige Tusse aufreißt.
    Und so begann eine irgendwie zwingende, doch beiderseits irritierende Freundschaft zwischen zwei Männern ungleichen Alters und ungleicher Interessen.
     
    Alfredo hatte über diese Begegnung weder mit seiner Mutter noch mit seinem Halbbruder geredet. Er war ein Mann, der Geheimnisse liebte, doch jetzt gab es ein Geheimnis, das er, als er sich nach dem Essen wieder zu ihnen setzte, nicht für sich behalten konnte.
    »Dad ist überfallen worden. Habt ihr das gewusst?«
    »Wer wird denn in dieser Stadt nicht überfallen?«, erwiderte Rodolfo. »Wir leben schließlich in London.«
    »Ja, aber dieser Überfall war was Besonderes, ein Super-Überfall. «

    »Mein Gott, ist er verletzt?«, wollte Janice wissen.
    »Das ist es ja gerade. Er sagt Nein, aber Onkel Sam meint Ja.«
    »Du hast Onkel Sam getroffen?«
    »Sind uns in einer Bar über den Weg gelaufen. Er hat’s mir erzählt.«
    »Wenn er verletzt worden wäre, würde euer Vater ein Riesentheater machen«, warf Josephine ein. »Der stellt sich doch schon sonst wie an, wenn er sich nur in den Finger schneidet.«
    »Um die Art Verletzung geht es nicht. Sam sagt, er sei ziemlich mitgenommen, wolle es sich aber nicht eingestehen. Er verleugne, meint Sam.«
    »Er hat doch schon immer verleugnet«, sagte Josephine. »Der verleugnet sogar, was er für ein Arsch ist.«
    »Und was verleugnet er Sam zufolge?«, fragte Janice.
    »Schwer zu sagen. Seine Identität? Was weiß ich.«
    Josephine schnaubte verächtlich. »Erzähl mir was Neues.«
    »Das ist noch nicht alles. Offenbar ist er von einer Frau überfallen worden.«
    »Von einer Frau?« Rodolfo konnte seine Belustigung kaum verhehlen. »Ich wusste ja, was er für ein Weichei ist, aber von einer Frau…«
    » Klingt für mich wie die reinste Wunscherfüllung«, sagte Janice.
    »Ja, für mich auch.« Josephine lachte. »Ich wünsche mir nur noch, dass ich dir sagen könnte, ich hätte es getan.«
    »Josephine!«, kam es vorwurfsvoll von Janice.
    »Ach komm. Erzähl mir nicht, dass du ihm nicht auch am liebsten eine überbraten würdest, wenn du ihn wie Leonardo DiCaprios Großvater die Straße entlangkommen und den Pflastersteinritzen ausweichen siehst oder was immer er sonst gerade treibt.«
    »Warum kommst du nicht von deinem hohen Ross herunter und sagst uns, was du wirklich über Dad denkst?«, fragte
Rodolfo, den der Gedanke daran, wie sein Vater sich vor einer Frau duckte, immer noch lächeln ließ.
    »Du meinst, ich soll zugeben, dass ich ihn liebe?« Sie steckte sich die Finger in den Hals.
    »Sam hält es eh für Blödsinn«, sagte Alfredo. »Seiner Meinung nach ist Dad nur gestresst.«
    »Wovon das denn?«
    »Von dem, was mit Tante Tyler und der Frau eines anderen Freundes passiert ist. Sam nimmt an, dass er mit so viel Tod nicht fertig wird.«
    »Typisch euer Vater«, sagte Josephine.

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