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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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symbolisiert das Vergnügen, das jüdische Männer empfinden, wenn sie ein Team von Frauen für sich kochen lassen.«
    Wenn Treslove jedoch glaubte, mit dem Mahl fänden die Zeremonien ein Ende, hatte er sich getäuscht. Kaum waren die Teller abgeräumt, begann man aufs Neue, sagte Gott Dank für seine anhaltende, liebevolle Güte, sang Lieder, die jedermann kannte, übte sich in Kritteleien, auf die niemand reagierte, und gab Feinheiten der gelehrten Auslegung jüdischer Historie zum Besten. Treslove staunte. Rabbi Jehoschua hatte dies gesagt, Hillel jenes getan. Über Rabbi Eliezer erzählte man sich folgende Geschichte … Dieser Abend rief nicht nur ein lang vergangenes Ereignis in Erinnerung, sondern das kollektive Wissen eines ganzen Volkes.
    Seines Volkes.
    Als es angebracht schien, stellte er sich der Frau vor, die er für die Urenkelin der alten Dame hielt. Nachdem sie mit einigen Leuten im hintersten Winkel des Zimmers gesprochen hatte, nahm sie ihren Platz wieder ein und wirkte dabei wie eine müde Reisende, die von anstrengender Fahrt zurückkehrte. »Julian«, sagte er und zog dabei die erste Silbe in die Länge.
    »Hephzibah«, sagte sie und reichte ihm ein pummeliges, mit vielen Silberringen verziertes Händchen. »Hephzibah Weizenbaum.«
    Selbst ihren Namen auszusprechen schien sie zu ermüden.
    Treslove lächelte und wiederholte »Hephzibah Weizenbaum«, stolperte aber über das Ph, das sie wie irgendwas zwischen einem H und einem F aussprach, was er aber aus unerfindlichem Grund – etwas Fink lerisches? – nicht hinbekam. »Hepzibah«, sagte er. »Hepzibah, Heffzibah, ich schaff’s nicht. Was für ein schöner Name.«
    Sie musterte ihn amüsiert. »Danke«, sagte sie und bewegte dabei ihre Hände stärker, als er es für nötig befunden hätte, »wie immer Sie ihn auch aussprechen.«

    Ihre Ringe verwirrten ihn. Sie sahen aus, als wären sie in einem Hell’s-Angel-Shop gekauft worden. Nur wo ihre Kleider herkamen, das wusste er. Hampstead Bazaar. Unweit seiner Wohnung in Hampstead gab es einen Basar, in den er manchmal auf dem Heimweg einen Blick warf und sich fragte, warum noch keine Frau, der er einen Heiratsantrag gemacht hatte, wie die vielschichtig gewandeten Modelle im Schaufenster ausgesehen hatte. Im Hampstead Bazaar gab es Kleider für Frauen, die etwas zu verbergen hatten, da aber Tresloves Frauen nur aus Haut und Knochen bestanden, war er selbst das Einzige, das sie zu verbergen suchten. Was wäre gewesen, fragte er sich, wenn er einen anderen Frauengeschmack hätte? Hätte es eine Frau mit fülligerer Figur länger bei ihm ausgehalten? Hätte er mit ihr sein Glück finden können? Bei ihr zur Ruhe kommen können?
    Hephzibah Weizenbaum trug ein Zeltkleid, das den Nahen Osten herauf beschwor. In der Oxford Street gab es ein arabisches Geschäft, das Parfüm in den Verkehr versprühte. Wenn Treslove kein bestimmtes Ziel hatte, blieb er dort manchmal stehen und holte tief Luft. So roch Hephzibah Weizenbaum – nach Autoabgasen, Touristenscharen und dem Euphrat, an dem alles begonnen hatte.
    Sie lächelte und erriet nicht, was er dachte. Das Lächeln umfing ihn, trug ihn wie warmes Wasser einen Badenden im Schwimmbecken. Er spürte, wie er im Blick ihrer eher purpurfarbenen als schwarzen Augen schwebte. Ohne zu begreifen, was er tat, tätschelte er mit den Fingern ihren Handrücken. Und sie tätschelte ihn ihrerseits mit ihrer freien Hand. Die Silberringe taten auf erregende Weise weh.
    »So«, sagte er.
    »So«, erwiderte sie.
    Sie hatte eine Stimme, warm wie geschmolzene Schokolade. Bestimmt war sie voller Schokolade, dachte Treslove. Was Übergewicht
anging, war er normalerweise pingelig, entschied aber, dass es ihr gut stand, so umhüllt und dem Blick verborgen.
    Sie hatte ein kräftiges Gesicht, breite Wangenknochen – eher mongolisch als nahöstlich –, volle Lippen und ein lebhaftes Mundwerk. Spöttisch, doch ohne ihn oder die Zeremonie zu verspotten. Einfach spöttisch.
    War er in sie verliebt?
    Er nahm es an, auch wenn er nicht sicher wusste, wie er jemanden lieben sollte, der so gesund aussah.
    »Wohl Ihre erste, wie?«, fragte sie.
    Treslove war erstaunt. Woher wusste sie, dass sie seine erste gesund aussehende Frau war?
    Sie bemerkte seine Verwirrung. »Ihre erste Pessachfeier«, sagte sie.
    Erleichtert lächelte er. »Ja, aber hoffentlich nicht meine letzte«, antwortete er.
    »Dann darf ich nicht vergessen, Sie zu meiner einzuladen«, sagte sie und richtete den Strahl

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