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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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dem Boykott? Wer boykottiert schon die eigene Familie?«
    Er hatte diese Zeile schamlos von Libor geklaut, doch dafür waren Freunde nun mal da. Um uns etwas zu geben.
    Es freute ihn, dass ihm Libor eingefallen war, ein Jude, den er mochte.
    2
    »Dad, wie merkt man, dass man mit der richtigen Frau zusammen ist?«
    »Wie merkt man das? Oder wie merkst du das?«
    »Wie merke ich das?«
    Es erleichterte Treslove, dass Rodolfo überhaupt irgendein Interesse an Frauen bekundete, erst recht, dass er sich fragte, woran er merke, die Richtige gefunden zu haben.
    »Das sagt dir dein Herz«, erwiderte Treslove und fasste nach der Hand seines Sohnes.
    »Entschuldige, Dad, aber das ist Quatsch«, mischte Alfredo sich ein.
    Sie befanden sich in Italien an der ligurischen Riviera, aßen am Hotelpool Pasta mit Pesto und begutachteten die Frauen. Er hatte sich endlich den Urlaub gegönnt, den Finkler wie Libor vorgeschlagen hatten, nur war er in Begleitung seiner Söhne gefahren, was von keinem vorgeschlagen worden war. Das war allein seine Idee gewesen.
    Eine fünftägige Reise, auf die Schnelle organisiert und von Dad bezahlt, ein Urlaub, um gut zu essen, spätherbstlichen Sonnenschein zu genießen, sich endlich einmal besser kennenzulernen, und für Treslove eine Gelegenheit, den Kopf von einigem Unsinn zu leeren, der sich in letzter Zeit dort angesammelt hatte.
    »Also, warum ist das Quatsch?«, fragte Treslove.
    »Na, guck dir das Teil da drüben an. Egal, mit wem du zusammen bist, sag mir nicht, dass du das nicht auch willst.«
    »Sie«, sagte Treslove.
    »Ja, die da.«
    »Nein, sie.«
    Alfredo starrte ihn an.
    »Du hast sie das genannt, das Teil. Du hättest aber sagen sollen, dass du sie willst.«

    »Mein Gott, Dad, ich dachte wir sind im Urlaub. Sie dann eben. Aber hör mir wenigstens zu. Schau dir ihre Figur an. Perfekt. Lange Beine, flacher Bauch, kleine Brüste. Man nimmt sich eine Frau wie die da und denkt, man würde nie wieder eine andere ansehen. Und dann fällt dein Blick auf das da – die da. Sinnliche Figur, Riesentitten, cremefarbene Schenkel, und du fragst dich, was du je an der Dürren gefunden hast.«
    »Du bist ja ein wahrer Philosoph«, sagte Treslove. »Hast du wieder in Onkel Sams Buch über Rousseau und Romanzen geblättert?«
    »Und das von dir«, warf Rodolfo ein. »Mum sagt, du wärst nie länger als vierzehn Tage mit einer Frau zusammengeblieben.«
    »Das kann auch nur von deiner Mum kommen.«
    »Meine behauptet dasselbe«, sagte Alfredo.
    »Sie waren sich immer schon in vielem ähnlich«, erwiderte Treslove und bestellte noch eine Flasche Montalcino.
    Er wollte die Jungen verwöhnen. Ihnen geben, woran es ihnen gefehlt hatte. Wollte sich selbst auch verwöhnen. Den Kopf frei kriegen. Das waren die Worte, die er immer wieder gebrauchte. Den Kopf frei kriegen.
    Er lag im Liegestuhl und las – versteckte das Buch, wenn er meinte, jemand würde hersehen –, während seine Söhne schwammen und mit Frauen flirteten. Es war schön. Nicht der Blick, dabei war der Blick auf das ligurische Meer fantastisch, nein, es war schön – nicht mehr als schön, aber schön war genug –, mit seinen Söhnen hier zu sein. Sollte er es dabei belassen? Sich mit der Rolle als Pater familias abfinden, mit den Söhnen zweimal im Jahr in Urlaub fahren und den Rest vergessen? Bald wurde er fünfzig. Zeit, zur Ruhe zu kommen. Nichts musste mehr geschehen. Er war, wer er war, Julian Treslove, Junggeselle seiner Gemeinde. Goi. Genug.
    Längst genug.
    Am frühen Nachmittag setzte sich Rodolfo zu ihm.

    Treslove versteckte sein Buch.
    »Und?«, fragte Rodolfo.
    »Und was?«
    »Wie lautet die Antwort auf meine Frage? Wie merkt man’s? Wie kann man sich sicher sein? Und wenn man sich nicht sicher ist, wäre es dann nicht anständig, gar nichts zu tun? Keine Angst, ich frage nicht, weil ich deinen Rat brauche oder so. Ich will einfach bloß darüber reden und wissen, ob ich normal bin.«
    Treslove überlegte, wie er die Sandwich-Bar zur Sprache bringen konnte, in der Rodolfo beim Vorbereiten des Brotbelags eine Schürze trug. Keine Lederschürze, keine aus Plastik. Eine Blümchenschürze.
    Im Urlaub trug er ein schwarzes Samtband im Pferdeschwanz.
    »Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass du schwul sein könntest?«, sagte er schließlich.
    Rodolfo stand von Tresloves Liegestuhl auf. »Bist du bescheuert? «, fragte er.
    »Ich frag ja nur.«
    »Und warum?«
    »Na ja, eigentlich aus keinem besonderen Grund. Du bist

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