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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Dunkelheit und der Tatsache, dass viele der schmalen Gassen, die sich durch El-Gumruk und Attarin zogen, auf den Karten nicht verzeichnet waren, gab sie es jedoch bald auf.
    Von früheren Aufenthalten, die allerdings schon Jahre zurücklagen, kannte Sarah Alexandria immerhin gut genug, um zu wissen, dass sie sich in der Nähe der Moschee von Attarin befanden, deren charakteristisches, von einer Kugel gekröntes Minarett immer wieder über die Mauern lugte. Zudem erklang die Stimme eines Muezzin, der das Abendgebet vortrug – als Ali Bey abrupt stehen blieb.
    Mit einer energischen Handbewegung wies er Sarah und die anderen an, in die Mauerschatten zu flüchten und sich so eng wie möglich an das warme Gestein zu pressen. Im nächsten Augenblick sahen sie den Grund dafür – eine Militärpatrouille kam die schmale Straße herab.
    Sarah, Hingis und du Gard hielten den Atem an – die Soldaten kamen geradewegs auf sie zu! Fieberhaft überlegte Sarah, ob noch Zeit zur Flucht blieb, aber wenn sie sich jetzt bewegten, würden die Soldaten sie zweifellos entdecken und das Feuer auf sie eröffnen.
    Es war Ali Bey, der den rettenden Gedanken hatte. Unbemerkt hatte ihr Führer sich gebückt und eine Hand voll Steine vom Boden aufgelesen, die er kurzerhand in eine abzweigende Gasse warf. Das Geräusch, das dabei entstand, ließ die Soldaten – Sarah zählte sieben – aufhorchen.
    »Was war das?«, fragte der eine.
    »Wahrscheinlich nur eine Ratte«, antwortete ein anderer. »Davon gibt es in diesem Viertel mehr als genug.«
    »Lasst uns lieber nachsehen – der Sergeant lässt uns auspeitschen, wenn sich herausstellt, dass wir einen Spion haben entkommen lassen …«
    Nacheinander verschwanden die Uniformierten in der Gasse, woraufhin Sarah und ihre Gefährten aus ihrem Versteck huschten. Lautlos schlichen sie die schmale Straße hinab und verschwanden um die Biegung, noch ehe die Soldaten feststellen konnten, dass sie einer Täuschung erlegen waren.
    »Haben Sie verstanden, was die Männer gesagt haben?«, erkundigte sich Ali Bey halblaut bei Sarah.
    »Allerdings – sie waren auf der Suche nach britischen Spionen.«
    »Das macht die Lage für Sie kompliziert. Wenn Sie entdeckt werden, wird man kurzen Prozess mit Ihnen machen, das ist Ihnen doch klar?«
    »In der Tat.«
    »Und wollen Sie nicht lieber umkehren?« Ali Beys Blick verriet ehrliche Besorgnis. »Ich weiß nicht, was Sie dazu treibt, jenen Mann zu suchen, von dem sie mir erzählt haben. Aber ich bezweifle, dass er es wert ist, sein Leben für ihn zu …«
    »Er ist mein Vater«, eröffnete Sarah.
    »Ihr Vater?«
    »So ist es.« Sie nickte. »Wir sind hier, um ihn zu finden und zurück nach England zu holen.«
    »Allah stopfe mir mein loses Mundwerk«, rügte sich der Alexandriner daraufhin selbst. »Und sollte er mir irgendwann ein Weib zur Seite geben, so möge er mir in seiner Güte eine Tochter wie Sie schenken«, fügte er hinzu. Dann schritt er kräftig aus und setzte sich an die Spitze der kleinen Gruppe.
    Die Straßenzüge, die sie lautlos durchwanderten, stets wachsam um sich blickend und auf der Hut vor den Soldaten, wurden zu beiden Seiten von Läden gesäumt, die alle geschlossen waren. Wie Sarah jedoch wusste, waren sie streng nach Waren gegliedert.
    Jeder Straßenzug war einem anderen Handwerk gewidmet: Hier gingen die Schreiber ihrer Tätigkeit nach, da die Töpfer und dort die Hersteller und Verkäufer von Duftwasser. Die Gerüche, die die Häuserzeilen durchzogen, waren entsprechend exotisch, und von früheren Besuchen erinnerte sich Sarah, dass die souks von Alexandria ein Ort bunter Farben und regen Treibens gewesen waren. In dieser Nacht jedoch wirkten sie wie ausgestorben.
    Furcht hielt die Stadt in eisernen Klauen …
    Erneut wählte Ali Bey Wege, die Sarah nicht kannte. Die Häuser zu beiden Seiten der Straße wurden zunehmend älter und verfallener, ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie sich dem Außenbezirk näherten, wo die Armen wohnten.
    Inzwischen war die Nacht ganz hereingebrochen, und die einzige Lichtquelle war die fahle Sichel des Mondes, die hoch am Himmel stand, umlagert von abgerissenen Wolkenfetzen. Beinahe nahtlos gingen die vergleichsweise prunkvollen Häuser der Suks in die Baracken des Elendsviertels über. Hier hausten die Tagelöhner, deren Bleibe oft genug nur aus Ruinen bestand. Fast kam Alexandria Sarah wie ein gigantischer Organismus vor, der sich fortwährend selbst fütterte und verdaute. Eins türmte sich über

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