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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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unten«, blaffte ihr Wortführer in schlechtem Englisch. »Kommen mit erhobenen Händen raus, oder wir kommen runter.«
    »Komm nur, Feigling«, stieß Sarah zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und griff nach ihrer Waffe.
    »Hältst du das für klug?«, erkundigte sich du Gard.
    »Wahrscheinlich nicht«, gab sie zu, »aber ich habe keine Lust, so zu enden wie diese armen Teufel dort oben.«
    »Mit einer Hand voll Kugeln wirst du das nicht verhindern können«, orakelte der Franzose, und auch dem vermochte Sarah nicht zu widersprechen. Dennoch konnte sie nicht anders, als sich an den Perlmuttgriff des Marinerevolvers zu klammern, während die hässliche Ahnung sie beschlich, dass sie eine Reihe schwerer, vielleicht sogar tödlicher Fehler begangen hatte.
    Den Fehler, London zu verlassen.
    Den Fehler, alle Warnungen in den Wind zu schlagen und auf eigene Faust nach ihrem Vater zu suchen.
    Den Fehler, anderen zu vertrauen …
    Unsteter Lichtschein drang plötzlich in den kurzen Gang. An einem Seil hängend, wurde eine Laterne herabgelassen, die baumelnd vor dem Stolleneingang auftauchte. Im nächsten Moment war zu hören, wie jemand die Sprossen der Leiter herabkletterte.
    Es klickte, als Sarah den Spannhahn zurückzog.
    Beidhändig zielte sie auf den Schacht – in dem plötzlich ein Paar in weißen Uniformhosen steckender Beine zu sehen war, die bis zu den Knien mit Gamaschen umwickelt waren.
    »Schießen Sie«, raunte Friedrich Hingis Sarah zu. »Wenn Sie etwas zu unserer Rettung tun wollen, dann tun Sie es jetzt …«
    »Non«, widersprach du Gard, »das wäre völlig sinnlos. Vielleicht können wir mit ihnen verhandeln …«
    »Wenn schon«, knurrte Sarah, und ihr Zeigefinger krümmte sich am Abzug der Waffe.
    Der Soldat ließ eine arabische Verwünschung vernehmen, als er auf den Grund der Grube sprang, sein Gewehr im Anschlag. Sarah wusste, dass dies der Augenblick war, in dem sie schießen musste, wenn sie ihr Leben und das ihrer Gefährten mit Waffengewalt verteidigen wollte … Aber sie tat es nicht.
    Denn das Licht der Laterne, das in den kurzen Stollen fiel, ließ sie etwas entdecken, das eben noch in tiefer Dunkelheit verborgen gewesen war und das ihre Aufmerksamkeit so sehr fesselte, dass die drohende Gefahr schlagartig an Bedeutung verlor.
    Es waren fünf Zeichen.
    Fünf Buchstaben des griechischen Alphabets, die vor undenklich langer Zeit in die Stollendecke gemeißelt worden waren und die auf einen Schlag bewiesen, dass Sarah auf der richtigen Spur und dies tatsächlich der Ort war, an dem ihr Vater zuletzt gewirkt hatte.
     
    ΑΒΓΔΕ
    «Das Alexandersiegel«, flüsterte Sarah.
    Im nächsten Moment war es zu spät für jede Gegenwehr. Noch drei Soldaten setzten in die Grube und legten mit ihren Gewehren auf die Gefährten an, sodass jede falsche Bewegung den sicheren Tod bedeuten musste.
    »Waffe fallen lassen, oder ihr alle tot!«, rief einer von ihnen heiser – und Sarah Kincaid ertappte sich dabei, dass sie den Revolver losließ, worauf er in den Schlamm fiel und sofort darin versank.

3
    F ORT K AIT B EY , A LEXANDRIA
N ACHT ZUM 11. J ULI 1882
    Fort Kait Bey trug seinen Namen nach dem Sultan, der es gegen Ende des 15. Jahrhunderts hatte errichten lassen, weit draußen auf der Landzunge, die den östlichen und den westlichen Hafen teilte und deren äußerste Spitze in antiker Zeit noch eine Insel gewesen war. Das Innere der Festung, die im Lauf ihrer langen und wechselvollen Geschichte zunächst den mameluckischen Herrschern, dann den osmanischen Eroberern, den Franzosen unter Napoleon und schließlich den Truppen des Mohammed Ali als Quartier gedient hatte, hatte Sarah Kincaid noch niemals zu sehen bekommen.
    Auch jetzt bekam sie nur eine sehr verschwommene Vorstellung davon, wie es innerhalb der trutzigen, mit wehrhaften Türmen versehenen Mauern aussah, denn eingepfercht in einen Gefängniswagen, erheischte sie nur hier und dort einen Blick auf schussbereite Geschütze und weiß uniformierte Soldaten, die die Festung zu Hunderten zu besetzen schienen.
    Von dort, wohin Sarah und ihre Gefährten anschließend gebracht wurden, gab es keinen Ausblick mehr nach draußen. Der Wagen fuhr in eine unterirdische Kasematte ein, wo man die Gefangenen mit vorgehaltenen Waffen zum Aussteigen aufforderte. Sarah und den anderen blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Sie hatten sich ergeben und waren der Willkür ihrer Häscher schutzlos ausgeliefert.
    Und dabei konnten sie noch von Glück

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