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Die Flamme von Pharos

Die Flamme von Pharos

Titel: Die Flamme von Pharos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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nach wenigen Schritten stießen die Gefährten auf eine weitere Überraschung: An seitlich in die Felswand geschlagenen Haken hingen Waffen, die man Gefangenen abgenommen hatte – Gewehre und Messer, aber auch Gardiner Kincaids Patronengurt, den Sarah unter Tausenden heraus erkannt hätte. Es war ein abgenutzter Sam-Browne-Gürtel aus britischen Armeebeständen, an dem ein klobiges Bowiemesser in einer fransenverzierten Scheide hing. Im ledernen Holster steckte außerdem jener Colt des Typs 1878 Frontier, der dem alten Gardiner stets zuverlässige Dienste geleistet hatte.
    »Sieh an«, meinte er grinsend, »das nenne ich Glück im Unglück …«
    Er nahm seinen Gurt und legte ihn sich um, und auch die übrigen Flüchtlinge bewaffneten sich – Sarah und Mortimer Laydon mit Martini-Henry-Gewehren, die zur Ausrüstung der Expedition gehört hatten, sowie mit den dazugehörigen Munitionstaschen; Ali Bey holte sich den Krummdolch zurück, dem man ihm bei der Gefangennahme entwendet hatte. Während du Gard bei seinem Säbel blieb – Schusswaffen schienen ihm zutiefst verhasst zu sein -, griff auch Friedrich Hingis nach einem Gewehr.
    »Endlich«, rief er triumphierend aus. »Damit sollte es uns möglich sein, uns einen Weg nach draußen zu erkämpfen.«
    »Ich nehme Ihnen nur ungern Ihre Illusionen, mon ami«, wandte du Gard ein, »aber eine Hand voll Schießeisen dürfte reichlich nutzlos gegen eine ganze Garnison Soldaten sein.«
    »In der Tat«, stimmte Gardiner Kincaid zu. »Deshalb werden wir uns so weit es geht in den Stollen zurückziehen und abwarten.«
    »Aber wir wissen doch gar nicht, wohin der Gang eigentlich führt«, wandte Hingis ein. »Was, wenn er vom Einsturz bedroht ist?«
    »Das Risiko werden wir eingehen müssen«, erwiderte Gardiner achselzuckend. »Oder ist jemand anderer Ansicht?« Fragend blickte er in die Gesichter seiner Gefährten, fand jedoch keinen Widerspruch. »Dann ist es entschieden«, sagte er, ging weiter und setzte sich erneut an die Spitze der Gruppe.
    »Und wenn es sich um eine Sackgasse handelt«, gab Hingis hilflos zu bedenken – aber auch dieser Einwand fand kein Gehör.
    »Ich leide unter Klaustrophobie.«
    Niemand antwortete.
    Sich in Verwünschungen ergehend, die man einem Gelehrten seines Ranges kaum zugetraut hätte, fügte sich der Schweizer schließlich der Entscheidung der Mehrheit.
    Gemeinsam folgten sie dem Stollen, der vor undenklicher Zeit von den Händen elender Sklaven in den Fels getrieben worden sein mochte und aus dem ihnen eisige Kälte entgegenschlug. Schon nach wenigen Schritten waren sie von Dunkelheit umfangen. Die Flamme, die der alte Gardiner vorantrug, schien Mühe zu haben, sich gegen die von allen Seiten herandrängende Schwärze zu behaupten.
    Über eine Treppe ging es noch weiter hinab. Die Decke wurde niedriger, sodass Sarah und ihre Gefährten die Köpfe einziehen mussten, um sich nicht zu stoßen.
    Erneut wechselte die Beschaffenheit der Wände. Sie wurden glatter, und hier und dort glaubte Sarah, Reste von Farbe zu erkennen. Unvermittelt löste der Fackelschein etwas aus der Dunkelheit, das seit Jahrhunderten keines Menschen Auge mehr erblickt haben mochte: eine in Stein gehauene Darstellung, die sofort die Aufmerksamkeit der drei Archäologen erregte …
    »Nun seht euch das an«, murmelte Gardiner.
    »Ein Relief«, stellte Sarah fest. »Diadochenperiode.«
    »Möglich«, pflichtete Hingis bei und nahm seine Brille kurz ab, um sie zu reinigen, ehe er sich wieder dem Kunstwerk zuwandte.
    Obwohl sie vermutlich rund zweitausend Jahre alt waren, waren die Bilder noch gut zu erkennen. Ein hohes Gebäude war darauf zu sehen, das aus übereinander getürmten und sich nach oben verjüngenden Segmenten bestand. Am Fuß des Kolosses waren Schiffe abgebildet, so naturgetreu und detailreich, dass man phönizische Handelsschiffe von griechischen Frachtern und römischen Galeeren unterscheiden konnte.
    »Das ist der Pharos«, stellte Hingis fest, »der berühmte Leuchtturm von Alexandria, dessen Flamme angeblich bis nach Athen zu sehen war. In der Antike galt er als eines der sieben Weltwunder.«
    »Was Sie nicht sagen«, knurrte Sarah beiläufig, die mit dem Untersuchen der Wände beschäftigt war.
    »Die Alexandriner behaupten, dass Fort Kait Bey einst auf den Grundmauern des Pharos errichtet wurde«, fügte Gardiner Kincaid staunend hinzu. »Vielleicht haben sie ja recht.«
    »Vielleicht?«, hakte Hingis spöttisch nach. »Wenn alle Ihre Quellen so

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