Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
Majah und Mehnding kontrollierten gewaltige Areale mit Dörfern und landwirtschaftlich genutzten Flächen. Jeder dieser Bezirke verfügte über eigene schützende Siegel. Die kleineren Stämme hatten so viel Land erhalten, wie sie bewirtschaften konnten, und noch mehr. Trotzdem gab es in den Randbereichen Siedlungen der chin , die noch nicht vollständig unterworfen waren, einfach weil es nicht genügend Sharum und dama gab, um sie zu verwalten.
Viele von Jardirs Kriegern waren über diese Gebiete verteilt – was sowohl von Vorteil als auch von Nachteil war. Indem man auf eine Zusammenballung der Streitkräfte verzichtete, schwächte dies in gewisser Weise die Kampfkraft, aber für die alagai wurde es auch schwieriger, sich Ziele für ihre Angriffe zu suchen. Allerdings erschwerte genau dieser Umstand herauszufinden, wo sie am heftigsten zuschlagen würden. Jeder Stamm besaß seine eigenen Festungen und war dafür verantwortlich, während des Erlöschenden Mondes möglichst viele Menschen und deren Besitz zu schützen. Aber jeder Stamm schickte Jayan jeweils zehn von hundert seiner besten Männer, um die Hauptstadt zu verteidigen.
Jayan befand sich auf dem Exerzierplatz, als sie ankamen, und überwachte den Appell dieser Elitekrieger. Durch seinen weißen Turban war er schon von Weitem zu erkennen, und umringt wurde er von seinen weiß verschleierten kai’Sharum . Asome war bei ihm, um mit den Männern zum Allmächtigen Everam zu beten, bevor die Sonne unterging und Nies Abgrund sich auftat.
Als sie sich näherten, blickten die beiden hoch, und trotz ihrer Rivalität freute sich Jardir, dass seine beiden ältesten Söhne zusammenstanden und gemeinsam seine Truppen anführten. Als Jungen hatten sie davon geträumt, Sharum Ka und Andrah zu sein, ein Traum, den ihr Vater mit ihnen teilte. Jayan hatte jetzt schon seinen Titel erhalten, und Asome bereitete sich auf seinen vor.
Jayan verneigte sich tief, aber er machte aus seiner Missbilligung keinen Hehl, als er sah, dass seine Mutter sich draußen aufhielt, nachdem die dama die Ausgangssperre ausgerufen hatten. Vermutlich war Asome darüber genauso wenig erfreut wie er, doch das Gesicht des jüngeren Mannes verriet keinerlei Regung. Im Sharik Hora hatte Jayan die Strategie und Kampfkunst der dama gut gelernt, doch sich ihre Disziplin anzueignen war ihm schwergefallen. Nicht zum ersten Mal fragte sich Jardir, ob es klug gewesen war, ihm in so jungen Jahren schon den weißen Turban zu geben. Es war schwierig, einem Mann Disziplin beizubringen, wenn er bereits auf einem Thron saß.
»Deine Krieger stehen zum Appell bereit, Vater«, sagte Jayan. Auch wenn es ihm nicht gelang, seine Gefühle zu verbergen, so hütete er sich doch, seine Mutter herabzuwürdigen, indem er seine Gedanken laut aussprach. Er hielt sich nicht etwa aus Respekt vor seinem Vater zurück – obwohl sie beide wussten, dass Jardir den Jungen ohne zu zögern niedermachen würde, sollte er sich über die Damajah erheben. Aber Inevera selbst hatte ihre Söhne das Fürchten gelehrt, und auch jetzt noch lief ihnen bei der Vorstellung, sich durch offenen Ungehorsam ihren Zorn zuzuziehen, ein kalter Schauer über den Rücken.
Keiner deiner Söhne ist würdig, hatten die Würfel gesagt, und im Grunde seines Herzens wusste Jardir, dass es stimmte. Indem die Magie der Krone und des Speeres ihn stärkten und ihn jung hielten, konnte Jardir mehrere hundert Jahre leben, wie Kaji. Aber er wäre ein Narr gewesen, hätte er für den Fall seines Todes keine Vorkehrungen getroffen. Wenn er keinen Erben fand, der seinen Platz als Shar’Dama Ka einnahm, konnte er vielleicht Jayan den Speer überlassen und Asome die Krone. Und wieder einmal fragte er sich, welches Geheimnis Inevera vor ihm verbarg. Wer war dieser andere, den sie gesehen hatte?
Inevera ließ den Blick über die versammelten Krieger wandern, und Jardir verspürte Stolz. In den Jahren, seit er den weißen Turban des Sharum Ka trug, hatte er mit Schweiß und Blut aus einem lockeren Verband, dem immer kleiner werdende Stammesmilizen angehörten, eine Elitekampftruppe gebildet, die von einem gemeinsamen Ziel zusammengehalten wurde und sich ständig vergrößerte.
Sogar die hier angetretenen kha’Sharum und chi’Sharum mar schierten in präzisem Gleichschritt. Er hatte gestaunt, wie tüchtig die khaffit -Krieger waren, und obwohl die meisten Nordländer verweichlicht und feige blieben, fassten viele von ihnen Mut. Die übrigen wür den die alagai lange
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